Das Artikel-7-Verfahren kann gegen einen EU-Mitgliedstaat eröffnet werden, wenn dieser gegen die Grundwerte der EU verstößt. Dazu gehören laut dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) die „Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.“ Bisher wurde ein solches Verfahren in der EU nur gegen Polen und Ungarn verhängt. Erst kürzlich wurde das Verfahren gegen Polen aber wieder gestoppt.
Die letzte Phase des Artikel-7-Verfahrens, die sogenannte „nukleare Option“, mit der auch ein Entzug der Stimmrechte einhergehen kann, wurde bisher noch nie eingeleitet. Die Hürden dafür sind hoch: Für einen Entzug brauch es zunächst einen einstimmigen Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs (ohne allerdings die Stimme des betroffenen Landes) sowie einen Beschluss des EU-Parlaments. In einem weiteren Schritt kann der Rat der EU-Mitgliedstaaten mit einer qualifizierten Mehrheit (72 Prozent der Länder, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren) konkrete Maßnahmen entscheiden.
Der Vorstoß der belgischen Ministerin kommt einen Monat vor der Übergabe der EU-Ratspräsidentschaft von Belgien an Ungarn. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat viele seiner EU-Kolleginnen und Kollegen verärgert, indem er immer wieder einstimmige Beschlüsse mit seinem Veto verhinderte oder hinauszögerte. Jüngstes Beispiel ist die ungarische Blockade gegen die Freigabe von EU-Geldern für die Ukraine.