Montag, 3. Juni 2024

Belgien erwägt EU-Stimmentzug für Ungarn

Belgiens Außenministerin Hadja Lahbib will das Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn weiterführen, was zu einem Entzug der Stimmrechte Ungarns in der EU führen könnte. „Ich denke, wir müssen den Mut haben, Entscheidungen zu treffen: (...) Artikel-7 bis zum Ende aktivieren, der das Ende des Vetorechts vorsieht“, sagte sie in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Politico vom Samstag. Im Außenministerium in Wien zeigt man sich offen für einen solchen Schritt.

Hadja Lahbib: „Wir müssen den Mut haben, Entscheidungen zu treffen.“ - Foto: © APA/AFP (Archiv) / KENZO TRIBOUILLARD

„Wir erwarten von allen 27 Mitgliedern, dass die Prinzipien, auf denen unsere gemeinsame Union beruht, auf Punkt und Komma eingehalten werden“, schreibt eine Sprecherin von Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) gegenüber der APA. „Das gilt selbstverständlich ganz besonders für das Land, das die nächste EU-Präsidentschaft inne haben wird. In diesem Sinne unterstützen wir, dass das Artikel 7 Verfahren gegen Ungarn gewissenhaft fortgesetzt wird.“

Das Artikel-7-Verfahren kann gegen einen EU-Mitgliedstaat eröffnet werden, wenn dieser gegen die Grundwerte der EU verstößt. Dazu gehören laut dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) die „Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.“ Bisher wurde ein solches Verfahren in der EU nur gegen Polen und Ungarn verhängt. Erst kürzlich wurde das Verfahren gegen Polen aber wieder gestoppt.

Die letzte Phase des Artikel-7-Verfahrens, die sogenannte „nukleare Option“, mit der auch ein Entzug der Stimmrechte einhergehen kann, wurde bisher noch nie eingeleitet. Die Hürden dafür sind hoch: Für einen Entzug brauch es zunächst einen einstimmigen Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs (ohne allerdings die Stimme des betroffenen Landes) sowie einen Beschluss des EU-Parlaments. In einem weiteren Schritt kann der Rat der EU-Mitgliedstaaten mit einer qualifizierten Mehrheit (72 Prozent der Länder, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren) konkrete Maßnahmen entscheiden.

Der Vorstoß der belgischen Ministerin kommt einen Monat vor der Übergabe der EU-Ratspräsidentschaft von Belgien an Ungarn. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat viele seiner EU-Kolleginnen und Kollegen verärgert, indem er immer wieder einstimmige Beschlüsse mit seinem Veto verhinderte oder hinauszögerte. Jüngstes Beispiel ist die ungarische Blockade gegen die Freigabe von EU-Geldern für die Ukraine.

apa

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