Mittwoch, 12. Juni 2024

EU-Kommission plant Strafzölle gegen Chinas E-Autos

Die EU-Kommission plant Strafzölle gegen chinesische Elektroautos, die nach Europa importiert werden. Das hat die Brüsseler Behörde am Mittwoch angekündigt. Man wolle nun mit den chinesischen Behörden die Resultate der Anti-Dumping-Untersuchung besprechen. Wird hier keine Lösung gefunden, würden die Strafzölle mit 4. Juli vorläufig eingeführt. Peking kritisierte die Ankündigung erwartungsgemäß. Die Industriellen Vereinigung (IV) warnt vor einer „protektionistischen Spirale“.

Zölle auf chinesische Autos dürften kommen. - Foto: © APA/AFP / JUNI KRISWANTO

Die EU-Kommission sieht unterschiedliche Zölle für verschiedene Autohersteller vor: Für BYD soll ein Importzoll von 17,4 Prozent gelten, von Geely (Volvo-Pkw; Anm.) werden 20 Prozent eingefordert und von dem staatlichen chinesischen Volkswagen-Partnerkonzern SAIC 38,1 Prozent. Andere Autohersteller, die bei der EU-Untersuchung kooperiert haben, sollen von einem „durchschnittlich gewichteten Zollsatz von 21 Prozent“ betroffen sein. Auf E-Autos von Herstellern die nicht kooperiert haben, soll ein Zoll von 38,1 Prozent eingehoben werden. Aktuell gilt noch ein einheitlicher Zollsatz für alle E-Autos von 10 Prozent.

„China wird die Entwicklung genau beobachten und entschlossen alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Rechte chinesischer Unternehmen zu schützen“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters das Handelsministeriums in Peking in einer ersten Reaktion. Das chinesische Außenministerium hatte die Untersuchung zuvor bereits als „Protektionismus“ kritisiert. Die EU suche eine Ausrede, um Zölle gegen importierte Autos aus China zu erheben, was gegen internationale Handelsregeln verstoße, sagte der Sprecher Lin Jian am Dienstag in Peking.

Abstimmung über Zölle geplant

Gibt es bis zum 4. Juli keine Einigung mit China, müssten die Zollbehörden der 27 EU-Länder die Importtarife vorläufig in Form einer Garantie einfordern. Tatsächlich eingehoben sollen die Strafzölle erst werden, wenn die Maßnahme offiziell von den EU-Mitgliedstaaten bestätigt wird. Hierbei gilt eine besondere Regel, schreibt die Kommission in ihrer Aussendung: Stimmt eine qualifizierte Mehrheit (Mindestens 55 Prozent der Länder, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung darstellen) für die Zölle, werden diese definitiv eingeführt. Stimmt eine qualifizierte Mehrheit dagegen, werden die Zölle wieder fallen gelassen. Gibt es keine klare Mehrheit für eine Richtung, liegt es an der Kommission zu entscheiden.

Die Industriellen Vereinigung (IV) reagierte besorgt auf die heutige Ankündigung. EU-Schutzinstrumente seien „in gewissen Bereichen durchaus sinnvoll“, heißt es in einer Aussendung. „Europäische Reaktionen dürfen jedoch nicht zu einer protektionistischen Spirale führen, welche in letzter Konsequenz europäische Hersteller benachteiligt und nur Verlierer kennt. China ist ein wesentlicher Absatzmarkt und Produktionsstandort für österreichische Unternehmen und muss als solcher erhalten bleiben.“ Die EU solle mit einer „aktiven Handelspolitik“ auf die „Zunahme protektionistischer Tendenzen“ reagieren.

Unterschiedliche Standpunkte innerhalb der EU

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte im September 2023 eine Untersuchung zu chinesischen Staatshilfen für Autobauer angekündigt und dies mit der Gefahr begründet, dass China Europa mit billigen Elektrofahrzeugen überschwemmen könnte auf Kosten europäischer Hersteller. Vor allem Frankreichs Autoindustrie dürfte den heutigen Schritt begrüßen. Deutschland, für dessen Automobilhersteller China ein wichtiger Absatzmarkt ist, fürchtet dagegen mögliche Vergeltungsmaßnahmen aus Peking. Zudem haben viele deutsche Autobauer ihre Produktion von E-Autos nach China ausgelagert und wären somit selbst von den Importzöllen betroffen.

Differenzierter wird das Bild, wenn man den Fokus von der Autoindustrie weg zur Gesamtindustrie lenkt: Laut einer jüngst veröffentlichten Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) befürwortet eine Mehrheit der deutschen Industrieunternehmen Strafzölle auf Elektroautos aus China. Dies könnte auch mit Erfahrungen aus der Vergangenheit zu tun haben. Bereits bei der Ankündigung der Anti-Dumping-Untersuchung verwies von der Leyen auf das Schicksal der europäischen Solarindustrie, die in der Vergangenheit stark unter chinesischer Konkurrenz gelitten hatte.

Aber auch Frankreich, das zu den Zoll-Befürwortern zählt, dürften von möglichen Gegenmaßnahmen der Volksrepublik betroffen sein. Nach der EU-Ankündigung, eine Untersuchung einzuleiten, hatte Peking mit einer eigenen Untersuchung zu europäischen Likör-Importen reagiert und damit de facto die französischen Cognac-Hersteller ins Visier genommen.

Von Reuters befragte Ökonomen reagierten unterschiedlich auf die EU-Pläne. Der Ifo-Präsident Clemens Fuest hält den Schritt demnach für keine gute Idee und rät der EU, darauf zu verzichten. Fuest argumentiert mit möglichen Gegenmaßnahmen Chinas. Zudem könnte die Elektrifizierung des europäischen Autoverkehrs dadurch verzögert werden.

„Die Entscheidung war letztlich zwingend, denn China subventioniert die eigene Industrie massiv und verzerrt dadurch den Wettbewerb“, sagte dagegen der Wettbewerbsökonom Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

China leidet aktuell unter einer schwachen Inlandsnachfrage, was die eigenen Unternehmen zusätzlich dazu bringt auf Exporte zu setzen. Als Reaktion hatten die USA jüngst ihre Zölle für chinesische Elektrofahrzeuge von 25 auf 100 Prozent vervierfacht - was tendenziell den Druck auf den europäischen Markt weiter erhöhen dürfte.

apa

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