Freitag, 12. Januar 2024

ASGB: „Politik und Wirtschaftsverbände tragen Mitschuld“

Der Südtiroler Gewerkschaftsbund ASGB äußert in einer Pressemitteilung tiefe Besorgnis über die jüngsten Erkenntnisse zur Abwanderung Südtiroler Maturanten. Wie berichtet sind 16 Prozent der Absolventen 10 Jahre nach der Matura ins Ausland abgewandert. Dieses Problem sei zum Teil hausgemacht, betont der ASGB-Vorsitzende Tony Tschenett.

Der „Brain-Drain“, zu Deutsch: Abfluss von Intelligenz oder Talentabwanderung, nimmt auch in Südtirol zu und trägt damit zum Fachkräftemangel bei. - Foto: © Shutterstock


Jüngst ausgewertete Daten des Südtiroler Arbeitsmarktservices bestätigen das, was bereits viele geahnt haben: Das Phänomen „Brain-Drain“ – die Talentabwanderung aus Südtirol – verstärkt sich. Die Abwanderungsrate unter den Maturanten der Jahre 2005-2012 sei alarmierend hoch, besonders bei Absolventen von deutschen Gymnasien.

Für Tony Tschenett ist klar: Das Problem sei zum Teil hausgemacht, da die Arbeitsbedingungen im Ausland wesentlich attraktiver erscheinen. Er kritisiert das Verhältnis von Lohn zu Lebenshaltungskosten in Südtirol als „katastrophal“.

Denen ist teilweise nicht bewusst, dass es schon nach zwölf Uhr ist
Tony Tschenett


Eine Mitschuld sieht der ASGB-Chef auch bei den Wirtschaftsverbänden, die diesem Trend tatenlos zusehen würden, statt proaktiv gegenzusteuern. Forderungen der Gewerkschaften, endlich spürbare Lohnerhöhungen zu gewähren, seien lapidar mit einem Handwisch weggefegt worden. „Denen ist teilweise nicht bewusst, dass es schon nach zwölf Uhr ist“, kommentiert Tschenett diese unverständliche Haltung.

Darüber hinaus macht Tschenett auch die Politik für die Situation verantwortlich. Er bemängelt, dass die Mehrheit der politischen Entscheidungsträger in den letzten Jahren die Forderungen des ASGB und der anderen Gewerkschaften, den Arbeitsstandort Südtirol attraktiver zu gestalten, größtenteils ignoriert hat.

Die Forderungen der ASGB zielten unter anderem darauf ab, Unternehmen, die höhere Löhne zahlen, bei Ausschreibungen zu bevorzugen oder bei der regionalen Wertschöpfungssteuer IRAP zu entlasten.

„Enttäuscht über Koalitionsabkommen“

Auch der Entwurf des Koalitionsprogramms 2023-2028 beinhalte wenig Konkretes, um den Arbeitsstandort Südtirol attraktiver zu gestalten, schreibt Tschenett in der Aussendung.

Es sei an der Zeit, dass sowohl Wirtschaftsverbände als auch politische Entscheidungsträger entscheidende Schritte unternehmen. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass unsere talentierten jungen Menschen gezwungen sind, ihre Heimat für bessere Möglichkeiten anderswo zu verlassen“, sagt Tschenett.

stol/ber

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