Donnerstag, 15. August 2024

Swift-Terror-Verdächtige wurden seit 2. August observiert

Der 19-jährige mutmaßliche Anhänger der radikalislamistischen Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS), der gemeinsam mit einem angeblich gleichgesinnten 17-Jährigen einen Anschlag auf die Taylor Swift-Konzertreihe im Wiener Ernst-Happel-Stadion geplant haben soll, wurde seit dem 2. August observiert. Das ergibt sich aus einem Bericht der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). In seiner Küche wurden Gegenstände zur Herstellung einer Sprengfalle sichergestellt.

Bei der Hausduchsuchung in Ternitz kamen auch Roboterhunde zum Einsatz. - Foto: © APA/ALEX HALADA / ALEX HALADA

Aus dem Bericht, der Bestandteil des Ermittlungsakts ist, geht hervor, dass die DSN am 2. August - und damit sechs Tage vor dem ersten von drei Konzertterminen, die vom 8. bis zum 10. August über die Bühne hätten gehen sollen - Kenntnis von den Anschlagsplänen bekam, wobei in dem Bericht angemerkt wird, die entsprechenden Informationen seien zunächst „noch nicht gerichtsverwertbar freigegeben“.

„Der Aufgabenbereich Nachrichtendienst erhielt von Partnerdiensten die Information, dass ein IS-inspirierter Einzeltäter ('Lone Wolve') einen Anschlag auf eines dieser Taylor Swift-Konzerte plant. Weiters versucht der potenzielle Attentäter, sich eine Schusswaffe zu besorgen und sollte dies nicht erfolgreich sein, plant der Attentäter einen Anschlag mit Messern“, heißt es zu den aus dem Ausland bezogenen Erstinformationen. Der Partnerdienst übermittelte der DSN die Telefonnummer des 19-Jährigen, dessen Telegram-Profil und gab bekannt, dass der Verdächtige sich in einem einschlägigen Kanal „Abu Dujana“ nenne. Auch Lichtbilder wurden weitergeleitet, „wobei eines der Gefolgschaftserklärung des Wien-Attentäters vom 2. November 2020 nachempfunden ist“, wie die Ermittler anmerken.

Nach Einholung der entsprechenden justiziellen Ermächtigungen wurde das Handy des 19-Jährigen erstmals am 2. August um 17.30 Uhr gepeilt. Mit den Observationsmaßnahmen an der Adresse des jungen Mannes in Ternitz (Bezirk Neunkirchen) wurde um 19.00 Uhr begonnen. Bereits am selben Abend bzw. in der darauf folgenden Nacht wurde auch der 17-jährige Freund des Hauptverdächtigen an dessen Adresse vom Observations-Team erfasst.

Verdächtiger dem Staatsschutz seit längerem bekannt

Der 17-Jährige ist dem Landesamt Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) Wien seit längerem bekannt. Er verkehrte nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer im radikalislamistischen Milieu und besuchte regelmäßig die einschlägig bekannten Moscheen, welche der IS-nahen Szene zuzuschreiben sind. Aktuell seien gegen den 17-Jährigen „Erkundigungen wegen 'Sittenwächterei'“ im Laufen, wird in einem Verfassungsschutz-Bericht an die Justiz vermerkt. Fest steht auch, dass der Bursch in die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Tschetschenen und Syrern bzw. Afghanen in Wien involviert gewesen sein dürfte. Bei einem Angriff auf mehrere Syrer am 7. Juli 2024 am Bahnhof Meidling soll er insofern dabei gewesen sein, als er die Tathandlungen filmte.

Bezogen auf die gegen ihn gerichteten Terror-Vorwürfe soll sich der mutmaßliche Komplize des 19-Jährigen am 3. August von 01.08 Uhr bis 6.24 Uhr in dessen Wohnhaus aufgehalten haben. In der darauf folgenden Nacht wurden die beiden dabei beobachtet, wie sie um 1.40 Uhr eine „Probefahrt“ in dessen Auto unternahmen. Dabei montierte der 19-Jährige ein Blaulicht auf das auf seine Mutter zugelassene Fahrzeug und schaltete ein Folgetonhorn ein. Damit fuhren sie „durch eine 'Menschengruppe', welche sich zur damals veranstalteten Beachparty in Sigleß begab“, notierten die Ermittler. Dabei handelte es sich aus Sicht der Verfassungsschützer um einen „Testlauf“ - der 19-Jährige habe in Umsetzung seiner Anschlagspläne mit dem mütterlichen Auto unter der Vorgabe, er sei ein Polizist oder eine Einsatzkraft in zivil, möglichst nahe ans Happel-Stadion herankommen wollen, um vor dem Stadion befindliche Taylor Swift-Fans zu töten.

Der 17-Jährige hätte wiederum beim Bühnenaufbau für die Swift-Konzerte mitarbeiten sollen, nachdem er für die damit betraute Firma beim Bühnenabbau nach dem Rammstein-Konzert in Klagenfurt am 18. Juli eingesetzt worden war. Allerdings hatte die Firma erst am 2. oder 3. August den Zuschlag für die Swift-Konzert-Reihe erhalten. Nach Angaben des Prokuristen der Firma hatte der 17-Jährige frühestens am Abend des 5. August erfahren, dass er im Happel-Stadion arbeiten sollte.

Hausdurchsuchung mit Sprengstoff-Spezialisten und Roboter-Hunden

Nach weiteren Observationen – dabei wurde unter anderem festgestellt, dass der 19-Jährige in seinem Haus bzw. im Garten regelmäßig Handschuhe und eine FFP2-Maske trug und verdächtige Gegenstände in einer Biomülltonne entsorgte – und umfangreichen Ermittlungen wurde der Hauptverdächtige am 7. August um 7.36 Uhr festgenommen. Zuvor war aus Sicherheitsgründen der Ortsteil in Ternitz, in dem seine Eltern, die zu diesem Zeitpunkt im Urlaub im Ausland weilten, und der 19-Jährige gemeldet waren, abgesperrt und evakuiert. An der Hausdurchsuchung waren über 40 Beamte, Sprengstoff-Spezialisten und sogar Roboter-Hunde beteiligt, die das Haus auf allfällige Sprengfallen durchsuchten.

Zu den Ergebnissen der Hausdurchsuchung heißt es im DSN-Bericht: „In der Küche konnten Gegenstände zur Herstellung einer USBV (Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung, ein Synonym für eine Sprengfalle, Anm.) vorgefunden werden. Im Kühlschrank konnte eine Glasflasche mit 45 Gramm flüssigem TATP (Acetonperoxid, ein explosives Gemisch aus Alltagschemikalien wie Wasserstoffperoxid, Aceton und Säure, die in jeder Drogerie erhältlich sind, Anm.) aufgefunden werden. Schnelltest durch BK (Bundeskriminalamt, Anm.) verlief positiv.“

Das TATP wurde allerdings nicht als Beweismittel sichergestellt, sondern vernichtet, wie Werner Tomanek, der Verteidiger des 19-Jährigen, am Donnerstag gegenüber der APA bemängelte. Unter Verweis auf einen Passus im Anlassbericht, wonach noch am Einsatzort eine „Notvernichtung“ des TATP „durch Abbrand im Garten“ erfolgte, bemerkte Tomanek: „Dass Beweismittel einfach von der Polizei vernichtet werden, ist neu.“ Dazu hieß es aus Ermittlerkreisen gegenüber der APA, die Vernichtung sei aus Sicherheitsgründen geboten gewesen, weil sich TATP bei geringfügigen Temperaturunterschieden oder Reibung entzünden könne und eine hochgefährliche Mischung sei.

Sichergestellt wurden eine Viertelliterflasche Aceton, die noch zu einem Drittel befüllt war, eine angebrochene, noch zur Gänze befüllte Flasche mit sechsprozentiger schwefliger Säure und eine ungeöffnete Einliterflasche Wasserstoffperoxid, die allesamt unter der Sitzfläche einer Eckbank in der Küche entdeckt wurden. „Damit hätte sich niemals eine funktionsfähige Bombe herstellen lassen“, meinte Tomanek im Gespräch mit der APA, „wir sind daher weit von einem Bedrohungsszenario entfernt, das die Absage der Taylor Swift-Konzerte gerechtfertigt hat. Jedes Fußball-Derby zwischen Rapid und Austria Wien hat da ein weitaus höheres Gefahrenpotenzial.“

Die DSN sieht das anders. Im zweiten Anlassbericht heißt es wörtlich, der 19-Jährige habe mit seinen Tathandlungen, der Herstellung von Sprengstoff und dem Anschaffen von Waffen wie einer Machete und Messern „in vollem Vorsatz und der Absicht, eine große Anzahl an Menschen zu töten, verletzen oder gefährden“ gehandelt. Er habe damit - neben den einschlägigen Terror-Bestimmungen im Strafgesetzbuch - auch die Tatbestände des versuchten Mordes im Rahmen einer terroristischen Vereinigung (§ 278c StGB), der Vorbereitung eines Verbrechens durch Sprengmittel (§ 175 StGB) und der vorsätzlichen Gemeingefährdung (§ 176 StGB) erfüllt.

apa

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