Sonntag, 29. September 2024

Nach dem Erdrutschsieg der FPÖ: Die erste Reaktion des Kanzlers

Die FPÖ hat erstmals in der Österreichischen Geschichte bei einer Nationalratswahl Platz 1 erreicht. Laut aktueller Foresight-Hochrechnung für APA und ORF kommen die Freiheitlichen auf gut 29 Prozent und lassen damit die ÖVP deutlich hinter sich, für die gut 26 Prozent ausgewertet wurden. Der SPÖ droht mit 20,5 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis. Grüne und NEOS liegen mit 8,7 bzw. 9,1 Prozent annähernd gleichauf. Die Kleinparteien scheitern klar.

Karl Nehammer (ÖVP) und Herbert Kickl (FPÖ am Sonntag in der Wahlzentrale im Parlament in Wien. - Foto: © APA / HANS KLAUS TECHT

Spannend wird es, was die Koalitionsoptionen angeht. Derzeit wackelt eine Koalition nur aus ÖVP und SPÖ stark – je nach Hochrechnung geht sie sich knapp aus oder auch nicht. Eine klare Mehrheit hätten dagegen FPÖ und Volkspartei, doch betonte VP-Generalsekretär Christian Stocker am Wahlabend, dass es beim Nein zu einer Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen unter deren Parteichef Herbert Kickl bleibe. Allenfalls könnten sich ÖVP und SPÖ noch mit NEOS oder Grünen zusammentun.

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Laut Foresight-Hochrechnung schaffen die Freiheitlichen ein Rekordplus von 13,1 Prozentpunkten, die Volkspartei erleidet ein Rekordminus von 11,2 Prozent. Die SPÖ könnte unter dem historisch schlechtesten Ergebnis von 21,2 Prozent bleiben. Für die Grünen ergab sich ein Minus von gut fünf Prozentpunkten, für die NEOS wären die 9,1 Prozent das beste Ergebnis bei einer Nationalratswahl.


Beate Meinl-Reisinger (NEOS), Karl Nehammer (ÖVP), Moderatorin Simone Stribl, Andreas Babler (SPÖ) und Werner Kogler (Grüne) - Foto: © APA / HANS KLAUS TECHT



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Kanzler Karl Nehammer bedauerte in einer ersten Reaktion, dass die ÖVP es nicht geschafft habe, die „Aufholjagd“ mit Platz 1 abzuschließen. Aufgabe sei es für die Zukunft genau hinzusehen, wieso „Radikalisierte“ mehr Zuspruch bekämen als die „Kraft der Mitte“ , die „Stimme der Vernunft“.

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Rücktrittsaufforderung an Karl Nehammer

FP-Generalsekretär Christian Hafenecker legte dem Regierungschef hingegen den Rückzug nahe: „Wenn man eine so historische Niederlage eingefahren hat, dann gibt es eigentlich nur eine Konsequenz.“ Sein Generalsekretariatskollege Michael Schnedlitz frohlockte, dass die Österreicher Geschichte geschrieben hätten.

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SP-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim sprach von einem schmerzhaften Ergebnis, für das er auch die internen Querelen verantwortlich machte. Es sei wichtig, dass eine Partei mit einer Stimme spreche. Einen Rücktritt von Spitzenkandidat Andreas Babler sieht er nicht: „Das Projekt ist natürlich nicht beendet.“

Die Babler-Vertraute Julia Herr signalisiert Gesprächsbereitschaft Richtung Volkspartei

Für die Grünen trat zunächst Sozialminister Johannes Rauch vor die Mikrofone: „Ich glaube, es ist ein Auftrag weiter zu kämpfen“, meinte er in einer ersten Reaktion zum Minus seiner Partei. Für die NEOS erinnerte Generalsekretär Douglas Hoyos daran, dass man ein Rekordergebnis erzielt habe und somit einer der beiden Wahl-Gewinner sei. Für eine Regierungsbildung sieht er seine Partei bereit – ebenso wie Rauch die Grünen.

Die Regierungsbildung dürfte jedenfalls schwierig sein. Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird es obliegen, den Regierungsbildungsauftrag zu erteilen. Ein Automatismus, dass dabei der Erstplatzierte zum Zug kommt, besteht nicht. Das Staatsoberhaupt hat sich diesbezüglich alle Optionen offen gelassen.

Interessant wird auch die Wahl des Nationalratspräsidenten. Denn dass hier die stärkste Kraft das Amt erhält, ist nur eine Usance, nicht aber zwingend vorgeschrieben.

Lange warten heißt es voraussichtlich am Abend auf das vorläufige Gesamtergebnis – laut Wahlbehörde ist „nicht vor 23 Uhr“ damit zu rechnen. Grund dafür ist die seit Anfang 2024 gültige Wahlrechtsreform. Anders als bisher wird nun am Wahlsonntag der Großteil der Briefwahlstimmen gleich mitausgezählt. Das und die Rekordzahl von 1.436.240 ausgegebenen Wahlkarten wird wohl mehr Zeit beim Auszählen in Anspruch nehmen. Bei der Nationalratswahl im Jahr 2019 waren es noch 1.070.933 Briefwahlkarten, bei der EU-Wahl im heurigen Juni 958.948.

apa/dpa/stol

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