Mittwoch, 6. Dezember 2023

Durnwalder: „Eine Ehe kann man immer scheiden lassen“

Nachdem die SVP am vergangenen Samstag entschieden hat, mit Fratelli d'Italia, der Lega, der Liste Civica und den Freiheitlichen Koalitionsverhandlungen zu führen, hagelt es Kritik von allen Seiten. Man verkaufe die Seele der Partei, sagen die einen. Man verrate Südtirol, sagen die anderen. Was sagt Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder zur Entscheidung seiner Partei? Ein Gespräch.

Luis Durnwalder: „Kritik hätte es immer gegeben, ganz egal, welche Entscheidung die SVP getroffen hätte.“ - Foto: © eg - Erika Gamper

Von:
Arnold Sorg
STOL: Herr Durnwalder, seit die SVP beschlossen hat, mit den italienischen Rechtsparteien Koalitionsverhandlungen zu führen, hagelt es harsche Kritik von vielen Seiten. Was sagen Sie dazu?
Luis Durnwalder: Es musste eine Entscheidung getroffen werden, weil die Wahlergebnisse leider so sind, wie sind eben einmal sind. Die SVP hat leider nicht mehr die absolute Mehrheit, weder allein noch mit den proporzbedingten italienischen Parteien. Aber trotz der Verluste ist die Volkspartei stärkste Kraft im Landtag und hat den Auftrag zu einer Regierungsbildung bekommen und sie muss sich die notwendigen Mehrheiten beschaffen. Deshalb sind wir nun in dieser Situation.

Die Volkspartei muss ein Koalitionsabkommen zustande bekommen, dass die Voraussetzungen schafft, dass auch in Zukunft autonomiemäßig etwas weitergeht.
Luis Durnwalder, Alt-Landeshauptmann


STOL: Kritiker bemängeln vor allem, dass man mit den Rechtsparteien verhandelt. Hätte sich die SVP Ihrer Meinung nach, nach einer Alternative links der Mitte umschauen sollen?
Durnwalder: Natürlich gibt es 2 Optionen, nämlich Mitte-Rechts und Mitte-Links. Aber wenn man alles abwägt, dann bin ich der Meinung, dass die SVP richtig entschieden hat. Die Volkspartei muss ein Koalitionsabkommen zustande bekommen, dass die Voraussetzungen schafft, dass auch in Zukunft autonomiemäßig etwas weitergeht, dass unsere Autonomie gestärkt wird und dass wir nicht ständig mit Rom im Konflikt sind.

STOL: Sie finden die Entscheidung der SVP also richtig, mit den Rechtsparteien über eine Koalition zu verhandeln?
Durnwalder: Ja, ich finde diese Entscheidung richtig, auch wenn es keine endgültige Entscheidung ist. Es beginnen jetzt erst die Verhandlungen und man wird sehen, ob man sich auf ein Programm einigen kann oder nicht. Sollte diese Koalition zustandekommen, dann wäre es sicher keine Herzensangelegenheit, denn wir wissen ja, was die Rechtsparteien in Südtirol alles angerichtet haben. Aber es wäre eine Vernunftehe. Und man kann eine Ehe jederzeit scheiden, wenn man sieht, dass es nicht klappt. Dazu muss die SVP den Mut haben. Wenn man sieht, dass das Koalitionsabkommen nicht eingehalten wird, dann muss man die Koalition eben wieder auflösen.

Wenn man die Soldaten nicht mitnimmt, dann können die Generäle noch so gut sein, aber sie werden den Krieg verlieren.
Luis Durnwalder, Alt-Landeshauptmann


STOL: Können Sie aber die Kritik der Opposition an den Koalitionsverhandlungen mit Mitte-Rechts nachvollziehen?
Durnwalder: Kritik hätte es immer gegeben, ganz egal, welche Entscheidung die SVP getroffen hätte. Es gibt keine eindeutigen Mehrheiten, weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Daher würde immer Kritik von jener Seite kommen, mit der nicht verhandelt wird.

STOL: Was sagen Sie grundsätzlich zum Zustand Ihrer Partei?
Durnwalder: Als Außenstehender ist es leicht, Kritik zu üben. Aber eines kann ich schon sagen: Die SVP-Funktionäre hätten nicht nur in den Monaten vor den Wahlen zu den Bürgern hinausgehen sollen und deren Kontakt suchen und pflegen. Das muss man die ganze Legislatur über machen. Man hätte die Arbeit der Landesregierung, und sie hat durchaus gute Sachen gemacht, besser erklären müssen. Man muss die Bürger mitnehmen. Wenn man die Soldaten nicht mitnimmt, dann können die Generäle noch so gut sein, aber sie werden den Krieg verlieren. Die gute Politik alleine ist zu wenig, man muss die Bürger mitnehmen.

Neuwahlen wären keine Lösung.
Luis Durnwalder, Alt-Landeshauptmann


STOL: Jetzt werden ja Stimmen laut, dass die Koalitionsverhandlungen scheitern und es zu Neuwahlen kommen könnte. Halten Sie das für realistisch?
Durnwalder: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Es wäre nicht verantwortungsvoll, wenn man jetzt herginge und allzu früh die Flinte ins Korn wirft. Das wäre keine Lösung. Man muss schauen, aus dem Wahlergebnis das Bestmögliche zu machen. Dazu braucht es Stehvermögen

stol

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