Freitag, 30. August 2024

Sprachinitiative Goetheschule: Zwischen „erster Schritt“ und „falsches Signal“

Die Klasse für Schüler ohne ausreichende Deutschkenntnisse an der Bozner Goetheschule scheidet die Geister. Während es die einen als ersten Schritt in die richtige Richtung feiern, sehen andere darin das falsche Signal und ein Zeichen „politischen Versagens“.

Ohne Deutschkenntnisse in eine eigene Klasse? Die Meinungen gehen auseinander. - Foto: © dpa / Daniel Karmann

Scharfe Kritik kommt dabei vom Team K: Wieder einmal müsse „die Schule Feuerwehr spielen, wo die politische Führung, sprich SVP, untätig war“, schreibt Paul Köllensperger. Dass SVP-Obmann Dieter Steger nun davon spreche, „endlich Nägel mit Köpfen zu machen“, bestätige nur, dass die SVP in Sachen Bildungspolitik eben das in den letzten 20 Jahren nicht gemacht habe.

„Die Schaffung von so genannten Willkommensklassen hätte lange schon angegangen werden müssen, vor allem aber sind mehrsprachige Schulklassen als Zusatzangebot an die Eltern höchst an der Zeit“, schreibt Köllensperger.

„Trennung und Ausgrenzung“, „diskriminierend“, „Ghettoklassen“

Ähnlich sehen dies die Grünen: Während die Gesellschaft „zweisprachige Klassen, in denen neben den muttersprachlichen Abteilungen auch deutsche und italienische Kinder gemeinsam lernen können“ bräuchte und fordere, reagiere man nun mit „Trennung und Ausgrenzung.“

Diego Nicolini (5 Sterne) nennt das Vorgehen der Goetheschule „diskriminierend“, es stehe „in klarem Widerspruch zu unseren Verfassungsgrundsätzen“. Selbst die Partisanenbewegung ANPI schreibt, man könne angesichts einer derart schwerwiegenden Entscheidung einer Schule, „Ghettoklassen“ einzuführen, nicht schweigen.

„So schaffen wir soziale Bomben und Orte der Ausgrenzung“

Geradezu gefährlich nennt Alessandro Urzì, Kammerabgeordneter der Fratelli d'Italia, das Vorgehen der Goetheschule: Es müsse vielmehr darum gehen, die Schule zum Ort der Integration und der Erziehung zu den bürgerlichen und kulturellen Werten der westlichen Gesellschaft zu machen. „Wenn wir darauf verzichten, indem wir Ghettos schaffen, schaffen wir soziale Bomben und Orte der Ausgrenzung“.

Das sei ein Spiel mit dem Feuer. Und das ausgerechnet, während man in der 6er-Kommission neue Rechtsvorschriften zum Autonomiestatut diskutiere, um Schule und Lehrkräften Werkzeuge zur Bewältigung jeder komplexen Situation, einschließlich der sprachlichen, an die Hand zu geben.

Lob von Freiheitlichen, STF und JWA

Landesrat Christian Bianchi (Lega) hingegen ist der Meinung, über solche Klassen für Ausländer könne man durchaus diskutieren. Dass allerdings auch Schüler italienischer Muttersprache dazugenommen würden, sei „aufs Schärfste zu verurteilen“.

Uneingeschränktes Lob für die Goetheschule kommt hingegen von den deutschsprachigen Rechtsparteien, so auch von der Süd-Tiroler Freiheit: „Der muttersprachliche Unterricht darf durch die massive Anwesenheit von anderssprachigen Schülern nicht länger beeinträchtigt werden. Es gilt: fördern, testen, umverteilen, beschränken“, fordert die Bewegung in einer Aussendung – zusammen mit „mehr Willen und Mut der Landesregierung und der Verantwortlichen im Schul- und Bildungsbereich“.

Auch die Liste JWA unterstützt die Entscheidung der Bozner Goetheschule. Sie könne aber nur ein erster Schritt sein: „Südtirol braucht endlich deutsche Klassen für deutsche Kinder.“

„Absolut nachvollziehbare Selbsthilfe“

Lob und volle Unterstützung gibt es für den Vorstoß der Goetheschule auch von den Freiheitlichen. „Nach den zahlreichen zahnlosen Ankündigungen von Seiten der politischen Führung ist es absolut nachvollziehbar, dass eine Schulführungskraft zur Selbsthilfe übergeht, um die untragbaren Zustände in den Griff zu bekommen“, so der Freiheitliche Obmann Roland Stauder.

Darüber hinaus verweist der Freiheitliche Obmann darauf, dass der gesamte Bildungsbereich auf ein massives Personalproblem zusteuert. In den Kindergärten steht Südtirol vor einer Pensionierungswelle. Was Grund-, Mittel- und Oberschule betrifft, so hat die gerade erfolgte Stellenwahl gezeigt, dass ein großer Teil der zur Verfügung stehenden Stellen nicht besetzt werden konnte.

„Zuerst nicht handeln, dann auf Direktorin draufhauen“

Auch der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Schule im Südtiroler Schützenbund, Landeskommandant-Stellvertreter Christoph Schmid, meldet sich zu Wort und stellt sich hinter die Direktorin der Goethe-Schule sowie hinter Stadträtin Johanna Ramoser.

„Interessant an der politischen Debatte ist, dass genau jene, die bisher nicht gehandelt und nur zugesehen haben, wie die deutschen Schulen in Bozen, dem Unterland in einigen anderen Gebieten Südtirols regelrecht den Bach hinunter gehen, jetzt auch noch auf jene Direktorin draufhauen, die in einer derartigen Situation handelt“, schreibt er in einer Aussendung. Die Südtiroler haben gemäß Autonomiestatut „das Recht und auch die Pflicht, einen angemessenen muttersprachlichen Unterricht für unsere Kinder zu gewährleisten“.

Für den Schützenbund steht außer Frage, dass „die Spracherlernung vor dem Schuleintritt stehen muss und dass die ausreichende Sprachenkompetenz im Vorfeld zu überprüfen ist“, schreibt Christoph Schmid.

Die derzeitige politische und mediale Diskussion, bei der sich jene ablehnend zu Wort melden, die tagein und tagaus zugesehen haben, wie die deutsche Schule ihrem eigentlichen Anspruch nicht mehr gerecht werden kann, und die wie immer interethnische und gemischtsprachige Experimente verlangen, seien durchsichtig und tendenziös, so Schmid.

„Der muttersprachliche Unterricht ist für eine ethnische Minderheit essenziell. Wer an diesem muttersprachlichen Unterricht rüttelt, gefährdet das Zusammenleben in unserem Land. Wir brauchen heute nicht Politiker und Verantwortliche, die gegen eine Direktorin vorgehen die endlich handelt, sondern effiziente Sofortmaßnahmen zugunsten unserer deutschen Schulen. Jenen italienischen Politikern, die jetzt plötzlich empört sind und die sich kritisch zu Wort melden, empfehle ich, das Grundproblem anzugehen, nämlich die fehlenden Erfolge des Deutschunterrichts an den italienischen Schulen. Wenn die italienische Schule nicht in der Lage ist, Schülern grundlegende Kenntnisse in Deutsch beizubringen, dann ist es verantwortungslos, die Probleme an die deutsche Schule weiter zu delegieren. Die deutsche Schule hat nämlich einen zentralen Auftrag im Sinne des Minderheitenschutzes!“, so Christoph Schmid.

ih

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