Donnerstag, 26. Oktober 2023

Begrenzter Vorstoß von Israels Armee in den Gazastreifen

Das israelische Militär hat in der Nacht auf Donnerstag einige Bodentruppen und auch Panzer in den Norden des Gazastreifens geschickt, den Einsatz aber bereits wieder beendet. Kampfflugzeuge hätten im Verlaufe des vergangenen Tages mehr als 250 „Terrorziele“ angegriffen, teilte die Armee am Donnerstag mit. Zudem sei der stellvertretende Leiter des Hamas-Geheimdienstes, Shadi Barud, der für die Planung der Massaker in Israel mitverantwortlich gewesen sein soll, getötet worden.

Israelische Panzer am Grenzzaun zum Gazastreifen. - Foto: © APA/Israeli Army / -

Nach Darstellung des militärischen Arms der islamistischen Hamas im Gazastreifen sollen indes seit Kriegsbeginn „schätzungsweise“ etwa 50 Geiseln bei israelischen Luftangriffen getötet worden sein.

Das teilten die Al-Qassam-Brigaden am Donnerstag mit. Unabhängig waren die Angaben nicht zu überprüfen. Vom israelischen Militär gab es zunächst keine Bestätigung. Zuletzt hatte die militante Organisation, die von der EU, den USA und Israels als Terrororganisation eingestuft wird, behauptet, dass bisher 22 Entführte durch israelische Luftschläge getötet worden sein sollen.

Mehr als 220 Menschen im Gazastreifen festgehalten

Die Hamas hält im Gazastreifen nach israelischen Angaben mehr als 220 Menschen fest, darunter Babys, Frauen und ältere Menschen. Sie wurden bei dem Angriff auf Israel am 7. Oktober in das Gebiet am Mittelmeer verschleppt. Unter ihnen sind auch mehrere Dutzend ausländische Staatsbürger.

Seither greift das israelische Militär Hunderte Ziele in dem dicht besiedelten Küstenstreifen an. Mehrere Einrichtungen der radikal-islamischen Hamas seien angegriffen worden, bevor die Soldaten sich wieder zurückgezogen hätten, teilte das Militär am Donnerstagmorgen mit. Im Armee-Radio war vom bisher größten Einsatz von Bodentruppen im gegenwärtigen Krieg die Rede. In einem vom Militär veröffentlichten Video vom nächtlichen Einsatz war zu sehen, wie gepanzerte Fahrzeuge durch eine sandige Grenzzone fuhren. Panzer feuerten Granaten ab. In der Nähe oder inmitten einer Reihe beschädigter Gebäude waren Explosionen zu sehen.

Vorbereitung auf nächste Phasen des Kampfes

Das Militär erklärte, der Einfall sei „in Vorbereitung auf die nächsten Phasen des Kampfes“ erfolgt. Das könnte ein Hinweis auf einen groß angelegten Einmarsch von Bodentruppen sein, mit dem die israelische Regierung mehrfach gedroht hat. Erklärtes Ziel der Regierung ist es, die militante Palästinenser-Organisation Hamas auszulöschen. „Die Soldaten haben das Gebiet inzwischen verlassen und sind auf israelisches Territorium zurückgekehrt“, hieß es in der Militärerklärung weiter.

Die israelische Luftwaffe bombardierte außerdem erneut zahlreiche Ziele im Gazastreifen. Dazu gehörten Kommandozentralen, Tunnelschächte und Raketenabschussrampen inmitten von Wohngebieten, von wo aus seit Kriegsbeginn auf israelisches Gebiet geschossen worden sei. Zudem hätten Soldaten eine Abschussbasis für Boden-Luft-Raketen der Hamas in der Gegend von Khan Younis im Süden des Gazastreifens getroffen, hieß es weiter.

Die Abschussbasis habe sich in der Nähe einer Moschee und eines Kindergartens befunden, so die Armee. Dies sei ein weiterer Beweis dafür, dass die Hamas bewusst zivile Einrichtungen für Terrorzwecke nutze.

Palästinensische Raketen fliegen Richtung Israel

Mitglieder der Hamas hatten am Mittwoch eigenen Angaben zufolge aus dem Gazastreifen erneut 2 Langstreckenraketen in Richtung Haifa im Norden und Eilat im Süden Israels abgefeuert. Laut Medien explodierte ein Geschoss in der Luft, das andere sei im Süden auf offenes Gelände gefallen. Berichte über Verletzte oder Schäden gab es zunächst nicht.

Auch am Donnerstag griffen militante Palästinenser im Gazastreifen israelische Ortschaften weiter mit Raketen an - selbst währen der israelischen Luftschläge. In den Ortschaften am Rande des Gazastreifens, aber auch in Tel Aviv, gab es Raketenalarm, teilte die israelische Armee mit.

Am Sonntag hatte das israelische Militär mit kleineren Angriffen am Boden begonnen. Die massiven Angriffe aus der Luft, mit denen das israelische Militär auf den überraschenden Angriff der Hamas am 7. Oktober reagiert, halten an. Nach israelischen Angaben wurden bei dem Hamas-Überfall rund 1.400 Menschen getötet. 224 weitere Menschen wurden laut aktuellen Angaben von Israels Armee gewaltsam in den Gazastreifen verschleppt. Vier Geiseln kamen inzwischen frei. Die Hamas will weitere Geiseln nach eigener Darstellung erst freilassen, wenn Israel die Lieferung von Treibstoff und Arzneimitteln in den Gazastreifen erlaubt.

Mehr als 7000 Palästinenser getötet

Die Zahl der bei den israelischen Gegenschlägen aus der Luft im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist nach Angaben der dortigen Hamas-Gesundheitsbehörde unterdessen auf 7028 gestiegen, knapp 18.500 wurden demnach verletzt. Wie das UNO-Nothilfebüro OCHA Donnerstag früh unter Berufung auf die von der Hamas kontrollierte Behörde weiter bekannt gab, soll es sich bei 68 Prozent der Todesopfer um Kinder und Frauen handeln. Rund 1.600 Menschen in Gaza gelten demnach als vermisst. Diese Zahlenangaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Im Gazastreifen trafen indes von Samstag bis Dienstag nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA insgesamt 62 Lastwagen mit Hilfsgütern ein. Darunter waren Trinkwasser, Nahrungsmittel und medizinische Güter. Das meiste sei bereits an die Krankenhäuser und die Vertriebenen verteilt worden, berichtete OCHA am Donnerstagabend. Das Büro verwies darauf, dass die Lieferungen bei Weitem nicht ausreichen, um die mehr als 2,3 Millionen Menschen im Gazastreifen zu versorgen. Vor dem 7. Oktober seien rund 500 Lastwagen täglich in den Gazastreifen gefahren.

Israel hatte Lieferungen nach den Terroranschlägen der Hamas untersagt. Der erste Konvoi durfte am Samstag fahren. Trotz zahlreicher Bitten habe das israelische Militär bisher keine Treibstofflieferungen erlaubt, berichtete OCHA. Ohne Treibstoff könnten keine Generatoren betrieben werden. Sie werden unter anderem für Wasserpumpen und den Krankenhausbetrieb benötigt.

apa

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