Dienstag, 3. September 2024

„Sonst wird VW zum Sanierungsfall“

Die jüngste Ankündigung von VW zu möglichen Werkschließungen ist Experten zufolge überlebensnotwendig. Indes bereitet sich Volkswagen auf eine turbulente Betriebsversammlung vor.

„Jetzt ist noch Zeit. Aber die Situation spritzt sich zu“, sagt Autoexperte Stefan Bratzel zur VW-Krise. - Foto: © APA/dpa / Julian Stratenschulte


Angesichts der aktuellen Probleme müsse VW nun dringend gegensteuern, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sagte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach der Deutsche Presse-Agentur. „Und das geht schlichtweg nicht mit den aktuellen Kostenstrukturen. Das ist eine unbequeme Wahrheit.“

Experte: „Ein notwendiger Weckruf“

Europas größter Autobauer hatte am Montag angekündigt, dass im Rahmen des Sparprogramms bei der Kernmarke VW Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger ausgeschlossen sind ( „STOL“ hat berichtet).
„Das ist jetzt ein großer Weckruf“, sagte Bratzel. „Und der ist auch notwendig.“ Denn, so Bratzel weiter: „So gern man Standort- und Beschäftigungssicherung hat. Längerfristig kann man Beschäftigte und Standorte nur sichern, wenn man wettbewerbsfähig ist.“

Ohne einschneidende Maßnahmen drohe Volkswagen, in einigen Jahren zum Sanierungsfall werden, warnte der Experte. „Die Situation ist jetzt nicht kurzfristig unternehmensgefährdend, aber mittel- und langfristig schon“, so Bratzel.
„Die Situation ist noch im Griff, aber in wenigen Jahren kann das ganze existenzgefährdend werden.“ Und dem müsse man nun vorbeugen. „Jetzt ist noch Zeit. Aber die Situation spritzt sich zu.“

Die Ursachen für die Krise bei VW

Grund für die Krise seien unter anderem das schwächelnde China-Geschäft, neue Konkurrenz aus Asien und der stockende Hochlauf der E-Mobilität bei zugleich hohem Investitionsbedarf in die neue Antriebstechnik.
„Die Party der Automobilindustrie, von der wir profitiert haben in den letzten 20, 30 Jahren, die ist vorbei. “ Das betreffe nicht nur VW, sondern die gesamte Branche. VW sei wegen seines traditionell hohen China-Anteils aber besonders stark betroffen.

„Maßnahmen waren überfällig“

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, lobte VW: „Die angekündigten Maßnahmen sind überfällig, um eine Trendwende einzuleiten und eine Krise zu verhindern.“

Belegschaft ist verunsichert

Heute wird sich der VW-Vorstand den Fragen der Mitarbeiter stellen. Betriebsratschefin Daniela Cavallo rechnet bei der Betriebsversammlung in Wolfsburg mit deutlich Unmutsbekundungen. „Die Belegschaft ist aktuell natürlich sehr verunsichert.“
IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger sprach von einem „unverantwortlichen Plan“, der die „Grundfesten von Volkswagen erschüttert“.

CDU-Chef klagt über mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands

CDU-Chef Friedrich Merz sieht in den verschärften Sparplänen von Volkswagen einen wirtschaftspolitischen Weckruf für die Bundesregierung. „Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig genug“, kritisierte Merz bei einer CDU-Veranstaltung in Osnabrück. Das gelte nicht nur für Volkswagen, sondern für große Teile der deutschen Industrie.

Wirtschaftsminister Habeck will enge Abstimmung

Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte mit Blick auf die VW-Krise: Entscheidungen müssten in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern erfolgen und das Ziel im Blick behalten, dass Deutschland ein starker Automobilstandort bleibe. „Alle Beteiligten müssen ihrer Verantwortung für die Beschäftigten in den Standorten gerecht werden.“

Ökonomen warnen vor staatlichen Hilfen

Führende Ökonomen warnten die Politik davor, jetzt mit gezielten Rettungsmaßnahmen gegen drohende Werkschließungen anzugehen. „Die Politik sollte sich bei dieser Erneuerung heraushalten und darf nicht den Fehler begehen, alte Strukturen zu zementieren und die notwendige Transformation zu behindern“, betonte DIW-Präsident Fratzscher.
„Die fehlende Zukunftsfähigkeit Volkswagens ist primär das Resultat eigener Fehlentscheidungen und nicht die Verantwortung der Politik.“

dpa

Kommentare
Kommentar verfassen
Bitte melden Sie sich an um einen Kommentar zu schreiben
senden