Sonntag, 2. Juni 2024

Moser: „Vor lauter Schimpfen werden die Bürger den Tourismus nicht mehr akzeptieren“

Jeden Tag werde in Südtirol mittlerweile jeden Tag aus irgendeiner Ecke gegen den Tourismus geballert, sagt Philipp Moser. Der hds-Präsident findet diese Situation nicht mehr akzeptabel. „Der Tourismus wird als pauschales Feindbild dargestellt, es wird suggeriert, dass der Tourismus böse und schlecht ist“, so Moser. „Das kann so nicht weitergehen, damit setzen wir den Wohlstand Südtirols aufs Spiel.“ Ein Gespräch.

Philipp Moser: „So kann es absolut nicht weitergehen.“ - Foto: © DLife

Von:
Arnold Sorg
STOL: Herr Moser, der Tourismus steht immer wieder öffentlich in der Kritik. Der Handel ist stark vom Tourismusaufkommen abhängig. Was sagen Sie als hds-Präsident zu diesem Dauerstreit?
Philipp Moser: Wir befinden uns in einer Situation, die für mich nicht mehr akzeptabel ist, so kann es absolut nicht weitergehen. Unser Verband vertritt den Handel, die Dienstleister und die Gastronomie. Und wie Sie sagen, ist der Tourismus für diese Sektoren von größter Wichtigkeit. Allein im Handel werden zwischen im Schnitt 20 und 30 Prozent des Umsatzes vom Tourismus generiert, in der Gastronomie noch mehr. Aber nicht nur für uns ist der Tourismus wichtig, sondern für ganz Südtirol. Leider wird das immer öfters vergessen.

Der Tourismus wird andauernd als pauschales Feindbild dargestellt, es wird suggeriert, dass der Tourismus böse und schlecht sei. Es wird mittlerweile jeden Tag aus irgendeiner Ecke gegen den Tourismus geballert.
Philipp Moser, hds-Präsident


STOL: Wie meinen Sie?
Moser: Man braucht sich ja nur die öffentlichen Diskussionen anschauen. Der Tourismus wird andauernd als pauschales Feindbild dargestellt, es wird suggeriert, dass der Tourismus böse und schlecht sei. Es wird mittlerweile jeden Tag aus irgendeiner Ecke gegen den Tourismus geballert. Es wird aber selten gesagt, wie viel Wohlstand der Tourismus in Südtirol generiert. Südtirol wäre ohne Tourismus nicht da, wo es heute ist. Andererseits darf man aber auch nicht hergehen und sagen, dass Urlaub auf dem Bauernhof oder die Privatzimmervermieter schlecht wären. Das stimmt nicht. Das alles trägt zu einem Mix bei, der sehr gut funktioniert. Wir brauchen alle Bereiche. Nur müssen alle Bereiche zusammen- und nicht gegeneinander arbeiten. Klar ist aber auch, dass es Steuergleichheit braucht. Es kann nicht sein, dass Airbnb weniger Steuern zahlt als der Unternehmer. Das geht nicht.

Vor lauter Negativmeldungen und vor lauter Schimpfen aus allen Ecken befürchte ich, dass die Gesellschaft den Tourismus irgendwann nicht mehr akzeptieren wird.
Philipp Moser, hds-Präsident


STOL: Diskussionen und gegenteilige Meinung sind nichts Ungewöhnliches und bringen in der Ideenfindung meistens ja etwas…
Moser: Das stimmt. Nur darf es nicht so weit kommen, dass ein wesentlicher Wirtschaftssektor wie es der Tourismus ist, so schlechtgeredet wird, dass die Tourismusgesinnung zu kippen droht.

STOL: Was meinen Sie konkret?
Moser: Vor lauter Negativmeldungen und vor lauter Schimpfen aus allen Ecken befürchte ich, dass die Gesellschaft den Tourismus irgendwann nicht mehr akzeptieren wird. Und das wäre fatal für Südtirol. Der Tourismus ist, wie gesagt, eine treibende Kraft für den Südtiroler Wirtschaftsmotor. Wir müssen die Bürger mitnehmen.

STOL: Warum glauben Sie, dass der Tourismus – wie Sie sagen – schlechtgeredet wird?
Moser: Früher hat man gegen die Industrie und die rauchenden Schlote geschimpft, später waren es die Bauern und die Pestizide, jetzt ist es der Tourismus und morgen wird dann auf einen anderen Sektor der Finger gezeigt. Scheinbar braucht es in Südtirol immer einen Schuldigen, der für alle Fehler verantwortlich gemacht werden kann.

Richtig schlimm wird es, wenn auch Politiker aus wahlkampftaktischen Interessen gegen den Tourismus ins Feld ziehen.
Philipp Moser, hds-Präsident



STOL: Ist es der Wohlstand in Südtirol, der alles als selbstverständlich erscheinen lässt?
Moser: Der Wohlstand und auch der Neid. Richtig schlimm wird es, wenn auch Politiker aus wahlkampftaktischen Interessen gegen den Tourismus ins Feld ziehen.

STOL: Sie meinen Paul Köllensperger und seine Forderung von der 10-Euro-Abgabe pro Gast und Nacht?
Moser: Genau. Wir haben eine Demokratie. Und in einer Demokratie wählen wir Politiker, die Entscheidungen im Sinne der Bürger treffen sollen, sodass sich das Land und die Gesellschaft positiv entwickeln können. Was meiner Ansicht nach aber überhaupt nicht funktionieren kann, ist, wenn ein Politiker hergeht und sagt, jetzt ziehen wir vom Tourismus so und so viel Geld ab und verwenden dies dann für andere Zwecke. Das geht nicht. Das ist Wahlkampf und Stimmungsmache. In einer funktionierenden Demokratie und einer guten Politik werden gerechte Steuern eingehoben und dieses Geld wird dann umverteilt und Punkt. Aber nur mit dem Finger auf andere zeigen und auf diese schimpfen hat noch nie ein Problem gelöst, das hat nur Probleme gebracht. Das verhärtet Fronten. Wir müssen uns jetzt zusammensetzen und gemeinsam nach einer Lösung suchen.

Wir müssen endlich verstehen, was auf dem Spiel steht, wenn wir den Tourismus dauernd schlechtmachen und schlechtreden.
Philipp Moser, hds-Präsident


STOL: Sie sprechen von einem Arbeitstisch?
Moser: Ich bin froh, dass wir mit Luis Walcher einen Landesrat haben, der klare Kante zeigt. Das ist positiv. Die verschiedenen Stakeholder müssen sich nun aber zusammensetzen und miteinander reden und das Beste herausholen, statt sich gegenseitig zu bekämpfen und übereinander zu schimpfen. Wir müssen endlich verstehen, was auf dem Spiel steht, wenn wir den Tourismus dauernd schlechtmachen und schlechtreden. Wir setzen den Wohlstand Südtirols aufs Spiel.

Alles STOL-Sonntags-Gespräche im Überblick finden Sie hier.

stol

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Andreas Ganthaler
2. Juni 2024 08:26
Politische Verantwortung: Der Vorwurf, dass Politiker aus wahlkampftaktischen Gründen gegen den Tourismus agieren, greift zu kurz. Es ist ihre Aufgabe, die Interessen aller Bürger zu vertreten und Lösungen zu finden, die nachhaltig und gerecht sind. Eine Tourismusabgabe, wie sie von Paul Köllensperger vorgeschlagen wurde, kann ein Instrument sein, um die Belastungen zu kompensieren und in nachhaltige Projekte zu investieren.
Der Tourismus ist wichtig für Südtirol, aber er muss nachhaltig und fair gestaltet werden. Es bedarf einer ausgewogenen Diskussion, in der die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden. Ein blinder Fokus auf wirtschaftlichen Gewinn, ohne die sozialen und ökologischen Kosten zu beachten, führt langfristig zu mehr Schaden als Nutzen. Die Forderung nach mehr Zusammenarbeit und einem fairen Umgang mit den Belastungen ist daher gerechtfertigt und notwendig.