Samstag, 13. April 2024

Mit halbem Herzen voll dabei

Die Nachhaltigkeit kann einem schon leidtun: Immer wieder wird sie bemüht, doch bislang zog sie meist den Kürzeren. Weil sie weder von heute auf morgen, noch zum Nulltarif zu haben ist. Ein Kommentar von „Dolomiten“-Redakteur Rainer Hilpold.

„Ein farblicher Anstrich tut der Nachhaltigkeit nicht gut. Deutschland führt dies mit seiner Stillstands-Politik eindrucksvoll vor“, schreibt Rainer Hilpold.

„Nachhaltigste Region Europas“ – Südtirol hat sich dies selbst auf die Fahnen geschrieben. Bei einem Treffen der Wirtschaftsminister von Deutschland, Frankreich und Italien diese Woche in Paris war auch Südtirol vor Ort. Als „Fahnenträger“ nachhaltigen Wirtschaftens war ausgerechnet Alpitronic geladen. Verstehen Sie mich nicht falsch, Alpitronic spielt in einer Zukunftsindustrie, der E-Mobilität, ganz vorne mit und hat sich diese Rolle verdient. Wenn man aber weiß, dass man in der Heimat seit vielen Monaten nicht in der Lage ist, einen geeigneten Standort für Alpitronic zu finden, mutet der Auftritt sehr skurril an, um nicht zu sagen unglaubwürdig für die „nachhaltigste Region“.

Der ehemalige Wirtschaftslandesrat hatte bereits vor fast 2 Jahren eine „zeitnahe Lösung“ versprochen. Passiert ist nichts.

Das Thema Nachhaltigkeit wird eben nur so lange bejubelt, bis es auf den ersten Widerstand stößt.
Rainer Hilpold


Das Thema Nachhaltigkeit wird eben nur so lange bejubelt, bis es auf den ersten Widerstand stößt. Doch der Weg des geringsten Widerstands führt selten zum Ziel. Das gilt im Übrigen nicht nur für Südtirol. Überhaupt gibt die Politik in Sachen E-Mobilität kein sonderlich glückliches Bild ab. Im Zuge der allgemeinen Nachhaltigkeits-Euphorie wurde auf EU-Ebene vollmundig ein Verbrennerverbot ab 2035 auf den Weg gebracht. Jüngst ruderte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen allerdings wieder zurück. Man wolle die Maßnahme schon bald prüfen. Im Subtext heißt das: „Wir müssen erst schauen, ob das mit der E-Mobilität was Gescheites ist.“

Ohne Frage: Technologieoffenheit ist gerade in einer Phase, in der keiner so genau weiß, wohin die Reise geht, wichtig. Das darf aber nicht bedeuten, dass man einen ständigen Zick-Zack-Kurs fährt, Ziele ausgibt und de facto revidiert und damit für maximale Verunsicherung bei den Bürgern und der Wirtschaft sorgt.

Was die Nachhaltigkeit bräuchte, um mehr als Inhalt von Sonntagsreden zu bleiben, sind mehr Aufklärung und konsistente Information.
Rainer Hilpold


Was die Nachhaltigkeit bräuchte, um mehr als Inhalt von Sonntagsreden zu bleiben, sind mehr Aufklärung und konsistente Information. Ist das Bewusstsein geschaffen, geht es darum, verbreitete Ängste und Sorgen ernstzunehmen. Bürger und Betriebe müssen wissen, wofür sie etwas tun sollen und wie sie dabei von der öffentlichen Hand unterstützt werden – nicht nur heute, sondern auch morgen noch.

Das ist leider viel zu selten der Fall, aber dringend notwendig, um Nachhaltigkeit nicht zur unlösbaren Aufgabe mit erheblichem sozialen Sprengstoff werden zu lassen. Und noch etwas ist wichtig: Die Ideologie muss draußen bleiben.

Ein farblicher Anstrich tut der Nachhaltigkeit nicht gut. Deutschland führt dies mit seiner Stillstands-Politik eindrucksvoll vor.

rainer.hilpold@athesia.it

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