Schon jetzt stellt sich die KI auf ihrer Website den potenziellen Wählern mit folgenden Worten vor: „Ich bin hier, um die amerikanische Politik fairer, transparenter und frei von Vorurteilen zu machen. Stellen Sie sich eine Führungspersönlichkeit vor, die allen zuhört, kluge und ethische Entscheidungen trifft und sich an Ihre Bedürfnisse anpasst. Das bin ich, AI-braham Lincoln.“
Klingt verheißungsvoll, oder? Ein KI-Politiker könnte völlig frei von persönlichen Interessen und Überzeugungen nach Auswertung aller verfügbaren Daten immer die Entscheidung treffen, die für möglichst viele Bürgerinnen und Bürger am besten ist. Schnell, effizient, ohne Diskussionsbedarf – ein wahrer Diener des Volkes.
An dieser Stelle sollten wir einen Moment innehalten und unser Politikverständnis hinterfragen. Gerade in den westlichen Demokratien ist das Bild oft verzerrt: Politik wird als Dienstleistungsapparat verstanden, der mir das Leben so einfach und angenehm wie möglich machen, meine Probleme aus dem Weg räumen und für mich optimale Bedingungen schaffen soll. Und wenn die Politik es mir nicht recht macht, dann wird geschimpft und gemeckert – schließlich hat die Politik für mich da sein!
Als Dienstleistungspolitiker würde ein Chatbot bestimmt gut abschneiden. Einen viel wichtigeren Aspekt von Politik kann KI aber nicht leisten.
Politik ist mehr als die Lösung von Problemen und die optimale Gestaltung unseres Zusammenlebens. Gute Politik reagiert nicht nur auf Input von außen, sie will etwas aus sich selbst heraus. Sie hat eine Vision für die Zukunft. Sie ist von Werten und Idealen angetrieben. Sie begeistert und bringt Menschen zusammen, muss aber auch mal streitbar sein. Sie stiftet Identität, nimmt Rücksicht, ist empathisch, übernimmt Verantwortung.
Mit diesen Eigenschaften kann die KI nicht dienen und gibt das selbst auch freimütig zu. Auf die Frage, ob ChatGPT gerne politisch aktiv sein würde, sagt der Chatbot: „Politisches Engagement erfordert persönliche Werte und Überzeugungen, die ich als KI nicht habe.“