Dienstag, 26. September 2023

Diese Lehren sollten Politiker aus der Pandemie ziehen

Die Politik sollte den Mut haben, Fehler der Vergangenheit zuzugeben und man sollte auch mit Gegnern und Skeptikern von Maßnahmen in den Dialog treten, „sofern diese sich im Radius des rational Nachvollziehbaren befinden“: Dies betont Alexander Bogner, Soziologe an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Er hat am Dienstagvormittag in der Eurac in Bozen bei einer Tagung zum Thema „Von der Gesundheitskrise in die Gesellschaftskrise?“ referiert.

„In der Politik geht es heute vor allen Dingen darum, zu erklären und nicht zu verkünden“, glaubt Bogner. - Foto: © Shutterstock / shutterstock

„Bei Corona hat man besonders beim Impfen gesehen: Es hängt alles vom Vertrauen ab“, meint Bogner. „Vertrauenseinbußen in die Regierungen, in die Wissenschaft und in das Gesundheitssystem haben mit der Wahrnehmung der Leute zu tun. Die Politik muss am Beginn solcher Krisen die eigene Unsicherheit und das eigene Nicht-Wissen stark thematisieren“, fordert Bogner.

Die Politik hätte gerade zu Beginn der Pandemie sehr viel stärker betonen müssen, dass sie in einer Experimentierphase ist, dass sie ihr Bestes gibt, aber Fehler nicht ausgeschlossen und vorprogrammiert seien. Sie hätte viel weniger eine Rhetorik der Alternativlosigkeit bemühen sollen. „In der Politik geht es heute vor allen Dingen darum, zu erklären und nicht zu verkünden“, glaubt Bogner.

Soziologe Alexander Bogner - Foto: © privat

„Verschwörungstheoretikern wird man nie bekehren“

Man sollte auch den Skeptikern und Gegnern von Maßnahmen den Dialog anbieten, meint der Soziologe. Nicht in den Dialog treten sollte man hingegen mit den Hardcore-Verschwörungstheoretikern, „die wird man nie bekehren. Das macht auch keinen Sinn, sich da den Dialog zerstören zu lassen durch völlig abstruse Behauptungen“, betont Bogner.

Politikern rät Bogner, sich um Vertrauen zu bemühen in Zeiten, wo nicht die akute Krise tobt. „Man kennt das Problem – die Skepsis – und muss dies in entspannten Zeiten wie im Sommer bearbeiten – und dann Informationskampagnen fahren und den Dialog suchen.“

Gesundheitskrise wird zu Gesellschaftskrise

In der Pandemie habe sich die Gesundheitskrise zu einer Gesellschaftskrise entwickelt, es sei dann nicht nur über gesundheitliche Aspekte sehr stark diskutiert worden, sondern auch über psychosoziale Aspekte, ökonomische Aspekte und Bildungsaspekte.

Wenn eine Krise auf die andere folge, dann überfordere uns das als Bürger teilweise, „weil die mittleren und jüngeren Generationen eine Krisenhäufung noch nie erlebt haben“, erklärt der Soziologe.

Die Politik versage dann, wenn sie davon ausgehe, dass sie Dinge anordnen, dekretieren und verkünden könne ohne ausreichend zu vermitteln oder zu erklären – wenn der Anschein entsteht: So wie wir entschieden haben, kann man gar nicht anders entscheiden, es gibt keine Alternative.

„Am Anfang einer Krise steht das Katastrophale, das Ungewisse. Wenn die Gesellschaft das Gefühl hat, da hinten kommt der Hurrikan, dann will man nur noch wissen, wie man davonkommt und dann sollen uns die Experten gefälligst sagen, was wir tun sollen. Dann akzeptiert man als Bürger den starken Mann und die Expertokratie – die Experten sagen dann, wo es lang geht. Das gilt aber nur für kurzfristige Schockmomente. Sobald klar ist, dass es sich nicht um eine Katastrophe handelt, sondern um eine Krise, die zeitlich nicht absehbar ist, zu dem Zeitpunkt sind die Stunde der Exekutive, der starke Mann und Expertokratie nicht mehr legitim. Da geht es dann darum, verschiedene Interessen und Wertstandpunkte miteinander in Diskussion zu bringen“, meint Bogner.

hof

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