Montag, 1. Juli 2024

Die Brandmauer gegen Le Pen hat Risse bekommen

Nach dem Wahlsieg der Rechtspopulisten bei der ersten Runde der französischen Parlamentswahl ringen die anderen Parteien darum, eine Regierungsmehrheit des ultra-rechten Lagers zu verhindern. Die ersten 3 Regierungsmitglieder, unter ihnen Übersee-Ministerin Marie Guévenoux, erklärten am Montag ihren Verzicht auf die Teilnahme an der Stichwahl am Sonntag, um damit die Chancen der jeweiligen Rechtsaußen-Kandidaten zu schmälern.

Die Partei von Marine Le Pen darf sich freuen. - Foto: © APA/AFP / FRANCOIS LO PRESTI

Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN/Nationale Vereinigung) und ihre Verbündeten waren in der ersten Runde der Parlamentswahl auf gut 33 Prozent gekommen. Das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront kommt Hochrechnungen zufolge auf 28 Prozent. Das Regierungslager liegt mit etwa 20 Prozent abgeschlagen auf Platz 3. Von den 74 Kandidaten, die sich in den 570 Wahlkreisen bereits in der ersten Runde durchgesetzt haben, zählen 38 zum Rechtsaußen-Lager.

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Nach Prognosen könnte der RN nach der zweiten Runde am 7. Juli eine relative Mehrheit bekommen. Auch eine absolute Mehrheit scheint nicht ausgeschlossen. Das hängt vor allem davon ab, wie viele Kandidaten sich vor der zweiten Runde zurückziehen, um einen Sieg eines RN-Kandidaten zu verhindern. Auch mehrere Kandidaten des links-grünen Wahlbündnisses Neue Volksfront haben bereits den Rückzug ihrer Kandidatur angekündigt. Die Kandidaten müssen sich bis Dienstag 18 Uhr festlegen.

Frankreich unter Schock

Unterdessen ist sich das Lager von Präsident Emmanuel Macron uneinig über seine Strategie vor der Stichwahl. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire rief dazu auf, der linkspopulistischen Partei La France Insoumise (LFI/Unbeugsames Frankreich) auch dann keine Stimme zu geben, wenn damit der Sieg eines rechtspopulistischen Kandidaten verhindert werden könnte. „Für mich ist La France Insoumise eine Gefahr für die Nation, so wie der Rassemblement National eine Gefahr für die Republik ist“, sagte er dem Sender France Inter. Er warf der Partei Antisemitismus und Gewalt vor.

Macron hatte sich während des Wahlkampfs als Bollwerk gegen die Extreme zu inszenieren versucht und dabei die Rechtspopulisten und die Neue Volksfront (NFP/Nouveau Fron Populaire) mehrfach auf eine Stufe gestellt. Nach der Wahl rief Macron dazu auf, ein „breites Bündnis“ gegenüber dem RN zu bilden, ließ aber offen, wer dazugehören solle.

Grünen-Chefin Marine Tondelier reagierte mit Entsetzen auf Le Maires Wahlempfehlung. „Das ist feige und der historischen Tragweite nicht angemessen“, sagte sie unter Tränen dem Sender France Inter. Die Neue Volksfront hat den Rückzug all ihrer Kandidaten angekündigt, die auf den dritten Platz gekommen sind.

Relative Mehrheit wahrscheinlicher als absolute

„Auch wenn die Wähler den Wahlempfehlungen der Politiker nicht immer folgen, wird der Rückzug von Kandidaturen den RN Stimmen kosten“, sagte der Meinungsforscher Brice Teinturier am Montag. Eine relative Mehrheit der Rechtspopulisten sei wahrscheinlicher als eine absolute Mehrheit.

Premier Gabriel Attal hatte in einer ersten Reaktion auf die Wahlschlappe seines Lagers den Verzicht auf eine umstrittenen Reform der Arbeitslosenversicherung angekündigt.

Mehrere rechtspopulistische Politiker schlossen am Montag nicht mehr aus, dass Parteichef Jordan Bardella das Amt des Premierministers auch dann anstrebe, wenn sein Lager nicht die absolute Mehrheit erhalten sollte. „Wenn wir genug Unterstützung finden, dann werden wir unsere Verantwortung den Franzosen gegenüber wahrnehmen“, sagte der RN-Abgeordnete Sébastien Chénu. Bardella zeigte sich am Montag bereit zu einer Debatte mit dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon (LFI) . Dieser zeigte sich offen für eine Debatte, verwies aber auf andere mögliche Vertreter seiner Partei. Der frühere Präsidentschaftskandidat hatte sich im Wahlkampf als Kandidat für das Amt des Premierministers ins Gespräch gebracht, wird aber von den anderen Parteien der Neuen Volksfront abgelehnt.

Der RN ist mit einem klar europa- und ausländerfeindlichen Programm angetreten. Die Partei hat zudem massive Wahlgeschenke in Aussicht gestellt, von denen es einige bereits abgemildert hat. Konkret will die Partei Frankreichs EU-Beitrag verringern, eine Obergrenze für Einwanderung einführen, die Bewegungsfreiheit von Nicht-EU-Ausländern einschränken und Berufsverbote für Franzosen mit doppelter Staatsangehörigkeit in die Wege leiten. Als eine der ersten Maßnahmen soll die Mehrwertsteuer auf Gas und Treibstoff reduziert werden. Die Abschaffung der Pensionsreform, die das Pensionsalter von 62 auf 64 angehoben hatte, ist auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

Die Partei, die früher Millionenkredite einer russischen Bank angenommen hat, ist inzwischen öffentlich auf Distanz zu Russland gegangen. Sie will die Ukraine weiter unterstützen, aber weder Militärausbilder entsenden noch Langstreckenwaffen liefern.

apa

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