Freitag, 27. Oktober 2023

Analyse: Die „Seitensprünge“ der Wähler

Viele Parteien haben Stimmen verloren: Mit wem sind ihre Wähler bei den Landtagswahlen am vergangenen Sonntag „fremdgegangen“? Auf diese Frage geben die Berechnungen von Andreas Kohlsche vom Institut für Wahl-, Sozial- und Methodenforschung (IfwsmF) eine Antwort. Brisant: Ein Viertel der Stimmen, die die Südtiroler Volkspartei (SVP) gegenüber den Landtagswahlen 2018 verloren hat, ging an die Liste „Für Südtirol mit Widmann“.

Wählerstromanalyse: Welche Parteien haben wo abgesahnt? - Foto: © mf

Über 6000 Stimmen gab die Südtiroler Volkspartei an die Liste von Ex-Sanitätslandesrat Thomas Widmann ab – verloren hat sie im Vergleich zu 2018 laut den Berechnungen von Kohlsche insgesamt rund 25.000 Stimmen (siehe Grafik unten). Zwar ist ungewiss, ob die Widmann-Wähler womöglich dennoch der SVP den Rücken gekehrt hätten, aber mit Widmanns Stimmen würde das Edelweiß jetzt nicht die 100.000er-Marke an Stimmen unterschreiten.



Widmann „raubte“ der SVP mit über 6000 die zweithöchste Zahl an Stimmen – und diese Zahl entspricht 2 Drittel aller von Widmann erhaltenen Stimmen. Die größte Ex-SVP-Wählergruppe kreuzte aber ein anderes Listenzeichen an – und zwar nicht jenes der wachsenden Süd-Tiroler Freiheit, die mit leicht mehr als 5000 Stimmen den zweitgrößten Profit aus den Stimmverlusten der SVP schlug. Weit mehr profitierten die Impfkritiker: Wirth Anderlan JWA, Vita und Enzian überzeugten insgesamt mehr als 8000 ehemalige SVP-Wähler, heuer ihr Listenzeichen anzukreuzen. Das entspricht fast 2 Prozent der Wahlberechtigten.

Vor allem Widmann und Jürgen Wirth Anderlan scheinen dazu beigetragen zu haben, dass der konservative Flügel im ländlichen Bereich der SVP-Wählerschaft gelinde gesagt weggebrochen ist. Im Vergleich zu den beiden anderen Impfkritiker-Parteien setzt Wirth Anderlan nämlich auch einen patriotischen Akzent – als ehemaliger Schützenkommandant und unterhält gute Beziehungen zu jungen Schützen.

Die SVP konnte nur bei den bisherigen Wählern einer einzigen Partei punkten: Rund 600 Lega-Wähler entschieden sich bei den Landtagswahlen am vergangenen Sonntag für die Volkspartei. Das sind immerhin mehr Stimmen als jene, die die SVP an das Team K abtreten musste (rund 460).

Jeweils mehr als 1000 Stimmen aus der SVP-Wählerschaft gefischt haben neben den Impfkritikern, Widmann und Süd-Tiroler Freiheit (STF) auch Grüne (fast 2100) und Freiheitliche (über 1600, siehe Grafik unten).



Weiterführende Analysen des IfswmF haben auch gezeigt, dass die Impfkritiker dem Team K sogar ein bisschen mehr geschadet haben: Immerhin waren die Spitzenkandidaten von Vita, Renate Holzeisen, und Enzian, Josef Unterholzner, früher beide in der Partei von Paul Köllensperger. Etwas mehr als 8900 Stimmen von ehemaligen Team-K-Wählern sicherten den Impfkritikern rund ein Drittel ihrer Wählerschaft. Gleichzeitig fischten Vita, Enzian und JWA wie keine andere Partei bei den Nichtwählern. Sogar die Süd-Tiroler Freiheit gab mehr als 1000 Stimmen an die Impfkritiker ab – und das in Zeiten einer neuen Blüte für die von Eva Klotz gegründete Partei.

Apropos STF: Weitere Analysen des Instituts zeigen, dass sich die Partei von Sven Knoll die zweithöchste Zahl an dazugewonnen Stimmen, nämlich über 4000, bei den Freiheitlichen holte. 1800 ehemalige Team-K-Wähler gaben ihre Stimme der STF. Und auch mehr als 500 Nichtwähler konnte die Partei von Sven Knoll wieder ins Wahllokal locken.

mic

Kommentare
Kommentar verfassen
Bitte melden Sie sich an um einen Kommentar zu schreiben
senden