Sonntag, 8. September 2024

Venedig: Silberner Löwe für Boznerin Maura Delpero und ihren Film „Vermiglio“

Der spanische Filmemacher Pedro Almodóvar erhielt den Goldenen Löwen für „La stanza accanto“, die Bozner Regisseurin Maura Delpero den Silbernen Löwen - Großer Preis der Jury für ihren Film „Vermiglio“. Der Film wurde im Trentino und in Südtirol gedreht.

Vermiglio von Maura Delpero hat den Silbernen Löwen - Großer Preis der Jury bei der 81. Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig gewonnen. - Foto: © ANSA / Ettore Ferrari

Regisseurin Maura Delpero aus Bozen erhielt für ihren Film „Vermiglio“ den Großen Preis der Jury. Das Historiendrama erzählt vom letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs, wie es in dem kleinen Dorf in der Val di Sole erlebt wurde. Die Ankunft eins verwundeten Soldaten im abgelegenen Vermiglio stellt das Leben eines Lehrers und seiner Familie auf den Kopf, nachdem sich die älteste seiner Töchter in ihn verliebt und beschließt, ihn zu heiraten.

Foto: © APA/afp / MARCO BERTORELLO



Der Film fokussiert sich vor allem auf die weiblichen Figuren und ihr vom Katholizismus und patriarchalen Strukturen geprägtes Leben. Sie dürfen nicht selbst über ihr Leben bestimmen, werden vom strengen Familienvater und gesellschaftlichen Konventionen in ihre Rollen gepresst.

Der Film wurde in Dialekt abgedreht und spielt zum Teil auch in Südtirol.

Der Film ist eine Koproduktion zwischen Italien, Frankreich und Belgien.
„Ohne öffentliche Fördermittel hätte mein Film sich selbst verraten, ich hätte den Dialekt nicht verwenden können, der Film hätte seine innere Musik nicht gehabt, ich hätte den Zuschauer nicht auf eine Reise durch Zeit und Raum mitnehmen können, noch das Schweigen und die Rhythmen der Berge hören können“, sagte Delpero in Venedig.

Goldener Löwe für Almodóvars „The Room Next Door“

Es gehört einiges an Kunst dazu, so leichtfüßig vom Tod zu erzählen wie Pedro Almodóvar. Mit einem ebenso mutigen wie poetischen Plädoyer für Sterbehilfe hat der spanische Star-Regisseur den Goldenen Löwen in Venedig gewonnen. Sein Drama „The Room Next Door“ erzählt von einer todkranken Frau, die ihrem Leben selbst ein Ende setzen will – und dabei Unterstützung von ihrer Freundin bekommt.

Pedro Almodóvar. - Foto: © ANSA / FABIO FRUSTACI



Tilda Swinton und Julianne Moore spielen die Hauptrollen – und seien großartig darin, urteilt Jury-Präsidentin Isabelle Huppert. Über Almodóvar sagt sie: „Er bringt uns zum Nachdenken darüber, was es bedeutet, am Leben zu sein und was es bedeutet, sein Leben zu beenden.“

Nicht nur „The Room Next Door“, auch die weiteren Gewinnerfilme der diesjährigen Filmfestspiele machen schwere Themen auf persönlicher Ebene erlebbar. „Was viele Filme vereint, die wir mochten, war, dass große menschliche, soziale und auch politische Fragen anhand von Einzelschicksalen oder von Familienkonstellationen erzählt wurden“, sagte Regisseurin und Jury-Mitglied Julia von Heinz der Deutschen Presse-Agentur.

Almodóvars Gewinnerfilm

Wie Zuschauer es von den Filmen Almodóvars gewohnt sind, hat „The Room Next Door“ außerdem eine besondere Optik – mit leuchtenden Farben und Bildkompositionen, die wie Gemälde gerahmt sind. Das Drama ist zudem leichtfüßig, hat einige lustige Momente.

„Der Film ist seltsamerweise nie wirklich sentimental“, beschrieb es Huppert. „Der Humor zog sich durch“, sagte von Heinz. Almodóvar erzählt von weiblicher Freundschaft – ein Thema, das in Filmen nicht besonders häufig behandelt wird, wie Julianne Moore in Venedig feststellte.

„Der Mensch muss die Freiheit haben, zu leben und zu sterben“

Weil sie unheilbar an Krebs erkrankt ist, hat Martha (Swinton) sich im Darknet eine Pille besorgt, die sie umbringen wird. Sie blickt ihrem Tod recht aufgeräumt ins Auge, will aber in diesem Moment nicht allein sein. Daher bittet sie Ingrid (Moore), sie zum Sterben in ein gemietetes Haus auf dem Land zu begleiten – und im Zimmer nebenan zu sein, im „room next door“, wenn sie die Pille nimmt.

In der aparten Luxusvilla angekommen, verbringen Martha und Ingrid ihre Tage damit, über Bücher und Beziehungen zu sprechen, Filme zu schauen – oder es sich auf Sonnenliegen bequem zu machen, die die beiden Frauen aussehen lassen wie ein Gemälde Edward Hoppers. Von ihm hängt ein Kunstdruck im Mietshaus.

Almodóvars Film bleibt vor allem wegen dieser stilsicheren Inszenierung in Erinnerung – und weil er sich auf 2 grandios harmonierende Schauspielerinnen verlässt. Die politische Botschaft ist dem 74-Jährigen aber wichtig. „Der Mensch muss die Freiheit haben, zu leben und zu sterben“, sagt er bei der Preisverleihung.

Wer ist Regisseurin Maura Delpero?

Maura Delpero, die Regisseurin, die bei der 81. Ausgabe der Internationalen Filmfestspiele von Venedig mit dem Silbernen Löwen ausgezeichnet wurde, hat ein internationales Profil. Geboren am 3. Oktober 1975 in Bozen, studierte Delpero Literatur in Bologna und Paris sowie Dramaturgie in Buenos Aires. Nach ihrer Arbeit als Assistentin in Bangladesch für den Film *Le ferie di Licu* (2006) von Vittorio Moroni, führte sie erstmals Regie bei dem mittellangen Dokumentarfilm Moglie e buoi dei paesi tuoi.

Foto: © APA/afp / MARCO BERTORELLO



Zwischen 2007 und 2008 arbeitete sie an Signori pofessori, einem Dokumentarfilm, der das Leben junger Lehrer in verschiedenen Phasen ihrer Karriere in drei repräsentativen Regionen Italiens verfolgt. Dieses Werk gewann den UCCA-Preis – Venti Città und den Avanti!-Preis beim 26. Turin Film Festival. 2010 erhielt das Drehbuch ihres mittellangen Films Nadea e Sveta, einer Untersuchung über Mutterschaft, Einsamkeit und die Suche nach einem Zuhause, eine besondere rwähnung beim Premio Solinas und den Cipputi-Preis beim 30. Turin Film Festival. Der Film schaffte es auch in die Endauswahl der David di Donatello 2013.

Ihr erster Spielfilm, Maternal (2019), wurde beim 72. Locarno Filmfestival ausgezeichnet und nahm an über hundert internationalen Veranstaltungen teil, darunter San Sebastian, London, Chicago und Mar del Plata. Für diesen Film erhielt Delpero unter anderem den Kering Women in Motion Young Talent Award beim 73. Filmfestival von Cannes. Ihr zweiter Film Vermiglio, ein ambitioniertes Familiendrama in einem kleinen Bergdorf, das gegen Ende des Zweiten Weltkriegs spielt und dem Film seinen Titel gibt, gewann den begehrten Silbernen Löwen in Venedig.

ansa/apa/stol

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