Freitag, 11. August 2023

Albtraum Periode: Der Leidensweg einer Südtirolerin mit Endometriose

Unerträgliche Bauchschmerzen im Zeitraum der Regelblutung, Übelkeit, Angst vor dem Gang auf die Toilette wegen der schmerzhaften Entleerung, das Gefühl, nicht mehr stehen oder gehen zu können, unerfüllter Kinderwunsch – all das sind klare Anzeichen für die Frauenkrankheit Endometriose. Obwohl etwa eine von 7 Frauen im fruchtbaren Alter davon betroffen ist, vergehen vielfach noch Jahre bis zur richtigen Diagnose. Miriam Leopizzi aus Algund erzählt von ihrem Leidensweg mit der Krankheit.

Erkrankte an Endometriose: Miriam Leopizzi (44). - Foto: © sabes

Starke Schmerzen schon bei der ersten Regelblutung. Während die gleichaltrigen Mädchen ganz entspannt mit diesem neuen Phänomen ihres Körpers umgingen, war Miriam Leopizzi einfach nur übel, sie musste sich übergeben, im Bett bleiben.

Die Eltern meinten: „Ist doch nur Bauchweh, geh zur Schule!“ Damals war das so. Es gab keinen Namen für diese unbändigen, weit über ein normales Maß hinausgehenden Zyklusschmerzen. Und Miriam Leopizzi ging zur Schule und später dann zur Arbeit. Auf dem Nachtkästchen stand immer ein Schmerzmittel bereit. Sie nahm es und rappelte sich auf. Die Arbeit war der Ansporn, nicht an die Schmerzen zu denken. Daher fehlte sie nie.

Heute ist Miriam Leopizzi 44 Jahre alt und ihre Schmerzen haben endlich einen Namen: Endometriose. Bis diese Diagnose aber stand, musste sie, wie sie selber sagt, „noch einiges mitmachen“. In der Jugend linderte die Pille die Schmerzen ein wenig und verhütete eine ungewollte Schwangerschaft.

Das fand ich unerhört. Natürlich waren die Fehlgeburten eine niederschmetternde Erfahrung für mich, aber das, was ich spürte, waren eindeutig körperliche Schmerzen.
Miriam Leopizzi (44)


Dann aber wünschten sich Miriam Leopizzi und ihr Partner Kinder. Es stellten sich auch Schwangerschaften ein, aber sie endeten alle vorzeitig wieder. Dreimal mussten die beiden diese schlimme Erfahrung machen. Und die Regelschmerzen schlugen wieder zu wie eh und je.

Zahlreiche Gynäkologen behaupten: „Schmerzen sind psychisch bedingt“

Die 44-Jährige wollte es nun endgültig wissen. In vielen italienischen Städten suchte sie Fachleute auf, ließ Untersuchungen über sich ergehen und wollte nicht eher ruhen, bis Klarheit darüber herrschte, was mit ihr los war. Doch den Gynäkologinnen und Gynäkologen fiel nichts anderes ein, als hinter den Schmerzen psychische Ursachen zu vermuten wegen der erlittenen Fehlgeburten.

„Das fand ich unerhört“, so Miriam Leopizzi heute, „natürlich waren die Fehlgeburten eine niederschmetternde Erfahrung für mich, aber das, was ich spürte, waren eindeutig körperliche Schmerzen.“ Dr. Giorgio Comploj, privater Frauenarzt in Meran, war schließlich der erste, der hinter ihren Symptomen Endometriose vermutete.

Nach der zweiten Geburt ist die Endometriose förmlich 'explodiert'. Ich konnte nicht mehr gehen, nicht mal mehr aufstehen.
Miriam Leopizzi (44)


Daraufhin wurde eine Bauchspiegelung durchgeführt und wenig überraschend zeigte sich der Bauchraum voller Endometrioseherde, die daraufhin entfernt wurden. Danach klappte es auch mit dem Kinderwunsch: Heute sind Leopizzi und ihr Partner stolze Eltern zweier Töchter von 8 und 2 Jahren.

Der Rückfall und eine richtungsweisende Entscheidung

Leider ist dies aber nicht das Happy End der Geschichte. Obwohl Schwangerschaft und Stillzeit oft zu einer Milderung der Endometriose-Symptome führen, trat bei Miriam Leopizzi genau das Gegenteil ein: „Nach der zweiten Geburt ist die Endometriose förmlich 'explodiert'. Ich konnte nicht mehr gehen, nicht mal mehr aufstehen“, so Leopizzi.

Da neuerliche Untersuchungen ergaben, dass sich wieder ausgedehnte Endometrioseherde im Bauchraum gebildet hatten, empfahl Dr. Martin Steinkasserer, Gebärmutter und Eileiter zu entfernen. Leopizzi beriet sich mit ihrem Partner und willigte in den Eingriff ein.

Miriam Leopizzi und Dr. Martin Steinkasserer bei einem Vortrag im Frühjahr. - Foto: © sabes

Gründung des Vereins „Noi con Voi“

Ein ungetrübtes Happy End gibt es aber leider auch jetzt keines. Die Schmerzen sind nicht, wie erhofft, vollständig verschwunden. Nun hat die 44-Jährige zusammen mit anderen Patientinnen einen Verein gegründet, von Betroffenen für Betroffene.

Der Verein „Noi con Voi“ bietet für die Mitglieder und deren Familien emotionale, psychologische, soziale und fachliche Unterstützung im Umgang mit der Krankheit. Schon ein Jahr nach der Gründung hat der Verein ein beachtliches Netzwerk von Fachleuten aufgebaut und ist im Bereich Aufklärung und Sensibilisierung unterwegs.

Der Verein „Noi con Voi“. - Foto: © sabes


Ziel ist es, dass auch die leichteren Endometriose-Stadien in Italien als invalidisierende Krankheit anerkannt werden, mit entsprechender Ticketbefreiung und finanzieller Unterstützung für Hormontherapien und Hygieneartikel. Auch haben alle Endometriose-Vereine Italiens gemeinsam einen Gesetzesentwurf in der Abgeordnetenkammer eingereicht, mit dem nach spanischem Vorbild der „Menstruationsurlaub“ eingeführt werden soll, also die Möglichkeit, bei starken Regelschmerzen zu Hause zu bleiben.

„Sensibilisierung ist wichtig“

Die Sozialgenossenschaft, der Miriam Leopizzi als Direktorin vorsteht, hat bereits im Rahmen des „Audits Familie und Beruf“ den eintägigen „permesso mestruale“ eingeführt, ein erster Schritt und ein Signal für andere Arbeitgeber im Umgang mit Arbeitnehmerinnen, die von Endometriose oder anderen Krankheiten der Fortpflanzungsorgane betroffen sind.

Bei all den Schwierigkeiten und Rückschlägen ist Miriam Leopizzi immer positiv geblieben: „Aufgeben war für mich nie eine Option. Es lohnt sich zu kämpfen. Das empfehle ich auch allen anderen von Endometriose Betroffenen.“

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stol

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