Sonntag, 5. November 2023

Vom Tischler zum Stardesigner – Martino Gamper von Prinz William geehrt

Ex-Fußballstar David Beckham hat ihn, ebenso der Sänger Gary Barlow und der Tennisspieler Andy Murray. Jetzt trägt auch der Meraner Designer Martino Gamper den Titel „Officer of Order of the British Empire“ (OBE). Auf Schloss Windsor in London wurde der 51-Jährige, der 2009 mit dem Projekt „100 Chairs in 100 Days“ international durchgestartet war und aktuell in München ausstellt, mit dem vierthöchsten Verdienstorden des britischen Staates geehrt. Als Tischler hat Martino Gamper seine Laufbahn einst begonnen. Dass sein kreatives Schaffen mit einem britischen Verdienstorden belohnt würde, hätte er sich nie erträumt.

Der Meraner Designer Martino Gamper bei seiner „Sitzung“ in München. Wie der Titel der Ausstellung verrät, stehen Stühle wieder im Mittelpunkt. - Foto: © Judith Buss Fotografie

Von Edith Runer

Wir erreichen Martino Gamper am Tag nach der Verleihung telefonisch in seiner Wahlheimatstadt London.

STOL: Hallo, Herr Gamper …
Martino Gamper: Griaßdi, du kannst gern „Du“ sagen.

STOL: Na dann … Gratuliere, Martino! Du bist zum „Officer of the Order of the British Empire“ ernannt worden. Was bedeutet dieser Titel eigentlich?
Gamper: Den Titel kann man in etwa mit dem italienischen Cavaliere del Lavoro oder mit dem österreichischen Ehrenzeichen für Verdienste für Österreich gleichsetzen. Er wird für besondere Verdienste für das britische Königreich verliehen, und zwar in verschiedenen Bereichen, von Kultur über Wirtschaft bis zu Sport und Sozialem.

STOL: Wer hat dich nominiert?
Gamper: Das erfährt man als Kandidat nicht. Es gibt ein Gremium, das unter den Nominierungen jene Kandidaten auswählt, die diesen Verdienstorden erhalten. Und darunter war überraschenderweise auch ich.

Als der Umschlag mit dem Hinweis „vertraulich“ in meinem Briefkasten lag, dachte ich zuerst eher an eine nicht bezahlte Steuer (lacht).
Martino Gamper


STOL: Du hast nicht damit gerechnet?
Gamper: Absolut nicht. Als der Umschlag mit dem Hinweis „vertraulich“ in meinem Briefkasten lag, dachte ich zuerst eher an eine nicht bezahlte Steuer (lacht). Stattdessen war es die Einladung zur Zeremonie.

STOL: Stimmt es, dass König Charles III. die Verdienstorden überreicht?
Gamper: Normalerweise schon, aber leider befand er sich am 1. November im Ausland und wurde deshalb von Prinz William vertreten. Nichtsdestotrotz war es ein ziemlich erhebendes Gefühl, im Schloss Windsor vom Prinzen persönlich empfangen zu werden.


King Charles III (Zweiter von rechts) mit seiner Frau Queen Camilla (rechts), daneben Prinz William und Prinzessin Catherine. - Foto: © APA/afp / ANDREW MILLIGAN



STOL: Hast du einen britischen Pass?
Gamper: Ja, aber mit den Verdienstorden werden auch ausländische Staatsbürger ausgezeichnet. Ein bisschen sollte man mir das übrigens auch angesehen – dass ich kein gebürtiger Brite bin. Ich habe mir zum Anziehen etwas Trachtenartiges aus der Kollektion von „Rier“ ausgesucht, dem Modelabel des Kastelruthers Andreas Steiner, der in Paris lebt. Das hat, glaube ich, recht gut gepasst.

STOL: Was muss man geleistet haben, um so einen Orden zu bekommen?
Gamper: Gute Frage. Generell geht es immer um ein Gesamtbild an „Leistungen“, die jemand für das Land erbringt, in welchem Bereich auch immer. In meinem Fall waren es wahrscheinlich die Projekte und Ausstellungen, mit denen ich Zeichen gesetzt habe. Eine Zeit lang habe ich zudem am Royal College of Arts unterrichtet – dort, wo ich vorher studiert hatte.

STOL: Mit dem Werk „100 Chairs in 100 Days“ bist du 2006 international bekannt geworden. Du hast 100 ausrangierte Stühle gesammelt und dann 100 Tage lang das Design jedes Stuhls neu gestaltet. Aktuell findet deine Ausstellung „Sitzung“ im Haus der Künste in München statt. Wiederum steht der Stuhl im Mittelpunkt. Was fasziniert dich am Stuhl?
Gamper: Der Stuhl hat im Leben von uns allen eine sehr starke Funktion. Er dient dazu, sich auszuruhen, zu arbeiten. Er bringt uns zusammen – wenn wir „zusammensitzen“. Er ist natürlich auch ein Designstück, das im Kontext zu anderen Möbelstücken steht.

Der Stuhl hat im Leben von uns allen eine sehr starke Funktion.
Martino Gamper


STOL: Du bist zunächst in Terlan, größtenteils aber in Meran aufgewachsen. Hast du noch eine Verbindung zu Südtirol?
Gamper: Natürlich, eine starke sogar. Meine Familie lebt dort, auch Freunde habe ich dort noch. Ich bin immer wieder mal in Südtirol, arbeite häufig mit Handwerkern zusammen.

STOL: Du bist der Bruder von Monika Gamper, der ehemaligen Präsidentin der Meranarena und des Stadttheater- und Kurhausvereins, die 2021 bei einem Lawinenunglück ums Leben gekommen ist. Welche Beziehung hattest du zu ihr?
Gamper: Eine sehr tiefe Beziehung. Monika hat mir in meiner Laufbahn immer sehr weitergeholfen, mich stets unterstützt. Sie war ein Organisationstalent und stets eine starke Inspiration für mich. Wir alle vermissen sie sehr.

STOL: Du hältst demnächst einen Vortrag in Südtirol. In welchem Rahmen?
Gamper: Ich bin vom Heimatpflegeverband Südtirol am 22. November zu einer Tagung nach Bozen eingeladen worden, bei der es um das Handwerk zwischen Tradition und Innovation geht. Es wird spannend werden.

STOL: Noch eine letzte Frage: Gehörte das „o“ immer schon zu deinem Vornamen?
Gamper: Nein, das ist, wenn man so will, ein Künstlername – damit die Briten auch wissen, woher ich komme.

Zur Person

Martino Gamper, Jahrgang 1971, aufgewachsen in Meran, hat nach einer Tischlerlehre in Wien Bildhauerei und Produktdesign studiert, arbeitete danach in Mailand und ließ sich 1998 in London nieder. Dort studierte er am Royal College of Arts, wo er später auch Unterricht gab. Er ist in den Bereichen Design und Kunst tätig und arbeitet an einer Vielzahl von Projekten, die von Ausstellungsdesign über Innenarchitektur bis hin zu Einzelaufträgen und dem Design von Massenprodukten für die gehobene Möbelindustrie reichen.

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