Dienstag, 26. Dezember 2023

Enzo & Lauras rote Flitzer

BLICK INS KINO: „Ferrari“ ist ein Marken-Biopic. Ein Genre, das in letzter Zeit immer mehr in den kapitalistischen Produzenten-Büros Einzug hielt. Doch der Regisseur hinter dieser Hommage an das rote Auto ist kein Geringerer als Michael Mann. Von Marian Wilhelm

Michael Mann verfilmt die Geschichte von Enzo und Laura Ferrari (Adam Driver und Penelope Cruz). - Foto: © wikipedia commons

Der gebürtige Chicagoer ist einer jener Handwerksmeister der 80er und 90er, die Meilensteine der Kinogeschichte gesetzt haben, mit Filmen wie „Heat“ oder „The Last of the Mohicans“.


Marian Wilhelm - Foto: © privat



Ähnlich wie seine Altmeister-Kollegen Martin Scorsese, Steven Spielberg oder Ridley Scott tritt er auch mit 80 kein bisschen leiser. Die Geschichte von „Ferrari“ wollte er schon seit 30 Jahren erzählen, besitzt er doch selbst 2 der flotten roten Flitzer.


Mit der Lebens- und Firmen-Geschichte von Enzo und Laura Ferrari sorgte er beim diesjährigen Filmfestival von Venedig für Trubel am Lido. Und das inmitten des mittlerweile beigelegten Streiks. Denn „Ferrari“ ist allem Anschein zum Trotz kein 300-Millionen-Studio-Blockbuster für das Superhelden-Teenager-Publikum, sondern ein unabhängig produziertes Erwachsenen-Drama. Das erlaubte auch Hauptdarsteller Adam Driver, Präsenz zu zeigen als der mäßig sympathische Titelheld. Natürlich ist die Firmengeschichte der berühmten Automarke ein norditalienisches Heimspiel, auch wenn der Amerikaner Michael Mann seine Geschichte auf Englisch erzählt.


Penelope Cruz


Der Italo-Akzent vieler Figuren erinnert dabei an das kurios-überdrehte Firmen-Biopic „House of Gucci“, das 2021 ebenfalls mit Adam Driver für Diskussionen sorgte. Doch diesmal geht es ernster und nicht so unfreiwillig komisch zu. Die vielen Toten im Film sind den vielen Unfällen der Autorennen geschuldet, bei denen Enzo Ferrari reüssieren will.

Der Film spielt 1957, als der Autobauer finanziell und privat in der Krise steckt. Laura Ferrari, genial gespielt von Penelope Cruz, ist als Ehefrau und Geschäftspartnerin weder im Nachkriegsitalien noch in Michael Manns Biopic mehr als eine Nebenfigur. Aber eine, die Stärke zeigt. Wie Enzo Ferrari interessiert sich der Film vor allem für die schnellen Autos und ist dann am besten, wenn der Tourenzähler nach oben dreht. Ansonsten erzählt er auch immer wieder im Leerlauf, speziell, wenn einen schnelle Autos und italienische Eheprobleme nicht interessieren. Unterhaltsam ist die Autobauer-Geschichte aber trotzdem. Von Michael Mann ist auch nichts anderes zu erwarten.


Termin: Filmclub, Uci Cinemas, Cineplexx

Kommentar: Keine kulturelle Aneignung


Cultural Appropriation passiert und die Debatte darüber ist durchaus berechtigt und wichtig. Adam Drivers Besetzung als Enzo Ferrari als kulturelle Aneignung negativ zu brandmarken, wie es Schauspieler Pierfrancesco Favino heuer in Venedig versuchte, ist jedoch an den Haaren herbeizogen. Zu durchsichtig ist der Neid, der aus dem Italo-Star spricht, dass nicht er Ferrari spielt und eben kein Weltstar ist. Man kann die übertriebene Schauspiel-Fokussierung der Filmbranche kritisieren, aber auch in Italien kennt das normale Publikum hauptsächlich Darstellende und nicht die Regisseure, geschweige denn die anderen Kreativen hinter der Kamera. Das ist auch für den vorwiegend im italienischen Kino erfolgreichen Favino nicht anders.



Natürlich schmerzt es die Italiener, wenn ein Amerikaner wie Michael Mann „ihre“ Nationalheiligtümer verfilmt wie anno dazumal einen Sandalenfilm in Cinecittà. Noch dazu einer, der keine italoamerikanischen Vorfahren vorzuweisen hat wie Martin Scorsese oder Francis Ford Coppola, beide von sehr italienischen Mammas geboren.



Der italienische Koproduzent von „Ferrari“ Andrea Iervolino verteidigte das Casting mit den Worten: „Italian cinema needs to look beyond Italy and come up with synergies with the international film industry, which wants to invest in Italian icons. Films like Ferrari, which will be distributed in 150 countries, promote Italy and Italian genius.“



Die Kritik an Adam Driver als Hauptdarsteller kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das italienische Kino trotz einiger Erfolge fast nur national orientierte Filmproduktionen liefert. Das mag am bescheidenen Englisch und der Synchron-Kino-Tradition liegen. Oder an der Illusion, dass der enorm einflussreiche Neorealismus der Nachkriegszeit und extravagante Oscar-Gewinner wie Fellini international immer noch nachwirken. Doch wer heute im internationalen Kino mitspielen will, muss international arbeiten und sich nicht zu schade sein, auch mal als kleiner Star in Hollywood zu arbeiten. Denn ob man es mag oder nicht: Die Filmwelt dreht sich nun mal um den Stadtteil von Los Angeles. Das weiß auch der neidische Pierfrancesco Favino.






eva

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