Montag, 25. September 2023

Weniger Brände, aber „Gefahrenabwehr immer komplexer“

Nur bei 15 Prozent ihrer Einsätze bekämpft die Feuerwehr tatsächlich Feuer. Angesichts des raschen technologischen Fortschritts habe die Anzahl möglicher Gefahren jedoch zugenommen, erklärt der Leiter der Landesfeuerwehrschule in Vilpian, Christoph Oberhollenzer. „Die Gefahrenabwehr wird dadurch immer schwieriger und komplexer.“

Die Feuerwehren rücken zwar immer seltener zu Brandeinsätzen aus – aber „die Gefahrenabwehr wird immer komplexer“, weiß der Leiter der Feuerwehrschule in Vilpian, Christoph Oberhollenzer.

Von:
Michele Manca
STOL: 2022 wurde in Südtirol eine Rekordzahl an Waldbränden registriert – gibt es Grund zur Sorge?
Christoph Oberhollenzer: Unseren Einsatzstatistiken zufolge gab es in den letzten Jahren keine signifikante Zunahme der Waldbrände. Durch den flächendeckenden Dienst von Freiwilligen Feuerwehren in allen Ortschaften und Berufsfeuerwehr in Bozen konnten die meisten Waldbrände in der Entstehungsphase gelöscht und die betroffene Fläche gering gehalten werden. Während auf gesamtstaatlicher Ebene die je Waldbrand betroffene Fläche mehrere Hektar – ein Hektar entspricht 10.000 Quadratmetern – beträgt, sind es in Südtirol durchschnittlich nur rund 0,22 Hektar. Jährlich ereignen sich in Südtirol rund 1400 Brände, wobei wiederum gilt, dass die meisten davon durch einen schnellen und wirkungsvollen Einsatz der Feuerwehren in der Erstphase gelöscht werden können.


Großer Waldbrand Prad – Juli 2022 - Foto: © FF / Dietmar Gander



STOL: Brandbekämpfung ist also nach wie vor die Hauptaufgabe der Feuerwehr?
Oberhollenzer: Gemäß Bezeichnung wäre die Brandbekämpfung die ursprüngliche Aufgabe der Feuerwehren – Brandeinsätze machen aber mittlerweile nur noch 15 Prozent der gesamten Einsatztätigkeit aus. Die technische Hilfeleistung – gemeint sind Feuerwehreinsätze aufgrund von Verkehrsunfällen, Arbeitsunfällen, Unwetterereignissen, Austritt von gefährlichen Stoffen und zur Tierrettung, Türöffnung usw. – ist die Hauptaufgabe der Feuerwehren geworden. Insbesondere durch Unwetterlagen hat es in den letzten Jahren Rekordzahlen bei den Feuerwehreinsätzen gegeben.


Brandeinsätze machen nur noch 15 Prozent der gesamten Einsatztätigkeit aus. Hauptaufgabe der Feuerwehren ist nun die technische Hilfeleistung.
Christoph Oberhollenzer, Leiter der Feuerwehrschule in Vilpian




STOL: Brandbekämpfung mag vielleicht nicht mehr die Hauptaufgabe der Feuerwehren sein – haben aber neue Technologien wie E-Fahrzeuge neue Gefahren herbeigeführt?
Oberhollenzer: Die Anzahl und Vielfalt der bei einem Schadenereignis möglichen Gefahren haben zugenommen – dadurch wird die Gefahrenabwehr immer schwieriger und komplexer. Bei Gebäuden moderner Bauweise muss z. B. bei brennbarer Wärmedämmung mit Brandausbreitung auch über die Fassade muss man damit rechnen, dass sich Brand und Rauch über Lüftungsanlagen ausbreiten. Darüber hinaus muss man etwaige Gefahren durch Elektrizität bei vorhandenen Fotovoltaikanlagen berücksichtigen. Bei Fahrzeugen mit Erdgas-, Flüssiggas- oder Wasserstoffantrieb besteht bei Treibstoffaustritt auch Explosionsgefahr. Bei Elektrofahrzeugen und Fahrzeugen mit Hybridantrieb können Gefahren durch Elektrizität vorliegen. Bei brennender Hochvoltbatterie sind zur Brandbekämpfung große Mengen an Löschwasser notwendig (bis zu 200 Liter pro Minute und insgesamt auch mehrere tausend Liter). Ein kontrolliertes Abbrennen der Hochvoltbatterie oder die Umlagerung des Fahrzeuges in wassergefüllte Container bzw. Vorrichtungen sind weitere mögliche Maßnahmen.


Löschen eines Hochvoltbatterie-Brandes ebei einem Elektrofahrzeug durch Umlagerung in wassergefüllten Einweg-Quarantäne-Behälter – im Jänner 2023 in Leifers.



STOL: Wie groß ist der Personal- und Materialaufwand bei Brandeinsätzen?
Oberhollenzer: Insgesamt müssen die Feuerwehren durch leistungsfähige und zusätzliche Ausrüstung, Einsatzunterlagen und zielgerichtete Ausbildung in die Lage versetzt werden, die Menschenrettung und Gefahrenabwehr wirkungsvoll und sicher durchführen zu können. Beim Grundlehrgang Brandeinsatz lernen die Feuerwehrleute die für die Brandbekämpfung erforderliche Ausrüstung (Pumpen, Armaturen, Schlauchmaterial, usw.), die zur Verfügung stehenden Löschmittel, Löschmethoden und die Zusammenarbeit in der Gruppe kennen. Zur erweiterten Grundausbildung gehört auch der Atemschutzlehrgang, weil insbesondere bei Gebäudebränden durch den giftigen Brandrauch ein Vorgehen nur mit umluftunabhängigem Atemschutz möglich ist. Jeder Brand hat spezifische Merkmale und Gefahren und es ist Aufgabe der Einsatzleiter und Führungskräfte geeignete Löschmittel, Löschmethoden und die richtige Vorgehensweise festzulegen. Die Führungskräfte werden darauf bei den Führungslehrgängen vorbereitet. Bei Waldbränden spielen z. B. die Wetterbedingungen, insbesondere die Windrichtung und die Geländebeschaffenheit, eine große Rolle. Für einen erfolgreichen Einsatz müssen ausreichend Feuerwehrleute zur Verfügung stehen, weshalb bei der Alarmierung zu Großbränden und bei Waldbränden in der Regel schon von vorneherein mehrere Feuerwehren zum Einsatz gerufen werden.


Einsatzleiterlehrgang an der Landesfeuerwehrschule in Vilpian.



Das richtige Verhalten, um Waldbränden vorzubeugen – Auszug zum Thema „Rauchen“ aus dem Brandschutzratgeber



mic

Kommentare
Kommentar verfassen
Bitte melden Sie sich an um einen Kommentar zu schreiben
senden