Dienstag, 21. November 2023

Klimaplan: 80.000 Heizungen in Südtirol in der Kritik

Mit Informationen und praktikablen Lösungen will die Klimashow, die derzeit durch Südtirol tourt, das Bewusstsein für das drängende Klimathema verstärken. Im Interview geht Thomas Egger vom Klima Club Südtirol auf die Notwendigkeit von Akzeptanz, Sozialverträglichkeit und Gerechtigkeitsfragen von Klimamaßnahmen ein.

Auf dem Prüfstand: Heizanlagen, die mit fossilen Brennstoffen laufen, verursachen viele klimaschädliche Emissionen. - Foto: © Shutterstock / shutterstock

Von Alex Zingerle

STOL: Mit welchem Ziel tourt die Klimashow durch Südtirol?
Thomas Egger: Grundsätzlich geht es darum, ein Bewusstsein für die Thematik zu schaffen und aufzuzeigen, in welchen Bereichen die Hebel anzusetzen sind.

STOL: Wo sollten hierzulande die Hebel angesetzt werden?
Egger: In erster Linie geht es um die größten Verursacher von Treibhausgasen. Der allergrößte Emittent ist der Verkehr, gefolgt von Heizungen und der Landwirtschaft. Beim Verkehr haben wir in Südtirol nur einen kleinen Handlungsspielraum, bei den Heizungen dagegen kann die Landesregierung gezielte Maßnahmen setzen, wissend, dass rund 80.000 Heizungen noch mit fossilen Energieträgern laufen.

STOL: Was sollte mit diesen 80.000 Heizungen passieren?
Egger: Wenn wir wie im Klimaplan des Landes festgehalten bis 2040 klimaneutral werden wollen, so gilt es diese 80.000 Heizungen mit regenerativen Heizsystemen zu ersetzen. Das ist eines der Themen, die wir der Bevölkerung vermitteln möchten.

STOL: Nun wurde gerade diese Heizungsthematik in Deutschland zum Fiasko. Welche Lehren sind daraus zu ziehen?
Egger: Ich habe mir die erste Fassung des Heizungsgesetzes in Deutschland angesehen und festgestellt: Es ist besser als sein Ruf. Allerdings wurde verabsäumt, die Menschen darauf vorzubereiten und sie in ihrer Lebenswirklichkeit abzuholen. Genau diese Sensibilität möchten wir mit der Klimashow bewirken, sodass die Entscheidungsträger eine solide Grundlage bekommen, Maßnahmen umzusetzen.

STOL: Maßnahmen, die sich vor allem als praktikabel und sozial gerecht erweisen müssen, oder?
Egger: Das ist der richtige Ansatz. Es geht um die Umsetzung und die richtigen Rahmenbedingungen, Sozialverträglichkeit ist die Devise. Klimaschonendes Verhalten muss sich für die eigene Brieftasche rechnen, eine Gas- oder Ölheizung muss letztlich teurer sein als eine regenerative Heizung. Dasselbe Prinzip gilt für den Antrieb von Autos.

STOL: Transformationsprozesse rufen bei vielen Menschen Ängste hervor. Bräuchte es für den Aufbruch auch eine optimistischere Grundstimmung?
Egger: Absolut, wir sollten wegkommen von gegenseitigen Schuldzuweisungen und lieber die einfachen Dinge in Angriff nehmen. Wir haben doch schon viele praktikable Lösungen, etwa Agri-Fotovoltaik, Wärmepumpen oder Elektromobilität.

STOL: Wenn wir von sozialverträglichen Maßnahmen sprechen, so ist auch zu sagen, dass weltweit die Superreichen mit ihrem extremen Konsumverhalten immens viele Emissionen erzeugen. Laut soeben veröffentlichtem Oxfam-Bericht verursachte 2019 das reichste Prozent der Weltbevölkerung so viele klimaschädliche Emissionen wie 5 Milliarden Menschen, die dem ärmeren Teil der Weltbevölkerung zugerechnet werden. Müsste beim Wirtschaftssystem angesetzt werden?
Egger: Interessante Frage, die bei uns im Klima Club immer wieder kontrovers diskutiert wird, denn schließlich kommen wir alle aus der Privatwirtschaft. Ganz sicher ist: Klimaschädliches Verhalten muss unwirtschaftlich sein. Ein Flug nach Rom sollte nicht günstiger sein als dieselbe Strecke mit dem Zug. Das bedeutet, auf die Kostenwahrheit zu setzen.

STOL: Was beinhaltet diese Kostenwahrheit?
Egger: Kurz gesagt: Alle Schäden, die durch klimaschädliches Verhalten entstehen, zu erfassen und den Verursacher dafür zur Kasse zu bitten. Betreiber von Öl- und Gasheizungen erzeugen etwa je Tonne CO2-Ausstoß Folgekosten von etwa 180 Euro. Das würde auch bedeuten, Flugkerosin endlich zu besteuern.

STOL: Nochmals weiter gedacht, könnte man auch die Kosten berechnen, die erst durch die Klimaerwärmung entstehen...
Egger: Auch dazu gibt es Studienergebnisse: Bei einem Anstieg der Mitteltemperatur um 2,4 Grad sind Folgeschäden von 10 Prozent des BIP zu erwarten, das breite Spektrum reicht von Naturkatastrophen bis hin zu Hunger. Heruntergebrochen auf Südtirol würde das bei einem BIP von über 20 Milliarden Euro Schäden in der Höhe von 2 Milliarden bedeuten.

STOL: Das würde also auch aus ökonomischer Sicht die Losung untermauern: Besser heute vorsorgen als hinterher aufräumen.
Egger: Auf jeden Fall. Diese Summen ist ja ein Vielfaches von dem, was Präventivmaßnahmen ausmachen.

az

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