Sonntag, 22. Oktober 2023

Glücksspiel: Uferloses Angebot, erhöhtes Suchtpotenzial

Aus den kürzlich veröffentlichten Zahlen zum Online-Glücksspiel geht hervor, dass diese Sparte im Jahr 2022 in Südtirol knapp 357 Millionen Euro umgesetzt hat. Der Kampf gegen das Glücksspiel scheint einem Kampf gegen Windmühlen gleichzukommen. Peter Koler vom Forum Prävention erklärt, wie sich diese neue Form der Sucht äußert, warum die Zahlen kritisch zu hinterfragen sind und welche neuen Ansätze in der Präventionsarbeit erprobt werden.

Virtuelles Glücksspiel hat vor allem aufgrund der ständigen Verfügbarkeit großes Suchtpotenzial. - Foto: © dpa-tmn / Sina Schuldt

Von:
Alexander Zingerle
STOL: Herr Koler, die aktuellsten Daten besagen, dass das Online-Glücksspiel in Südtirol auf dem Vormarsch ist. So wurden hierzulande im Jahr 2022 um 15 Millionen Euro bzw. 4,4 Prozent mehr gespielt als im Jahr zuvor. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Peter Koler: Zunächst einmal sind die Zahlen differenziert zu betrachten bzw. mit Vorsicht zu genießen. Pauschale Beträge pro Kopf zu nennen kann das Phänomen nicht in seiner Komplexität erklären, außerdem zeigt ein neuer Bericht, wie sehr das Glücksspiel zum Reinwaschen von Schwarzgeld dient. Das ist eine Erklärung für diese ungeheuerlichen Zahlen (siehe dazu untenstehenden Bericht, Anm. d. Red.). Davon einmal abgesehen besteht die Problematik, keine Frage. Nicht zuletzt wird das auch durch die steigenden Zahlen von Hilfesuchenden und Betroffenen in Therapieeinrichtungen deutlich.

STOL: Das Forum Prävention leistet seit vielen Jahren Präventionsarbeit. Mit welchen Erfolgen?
Koler: Wenn sich mehr Menschen der Gefahren bewusst sind und sich somit an die spezifischen Beratungsstellen wenden, so ist das durchaus als Erfolg für die Präventionsarbeit zu werten. Es ist ein Indiz dafür, dass die Kampagnen wahrgenommen werden. In den kommenden Wochen wird die neue Kampagne gegen Spielsucht anlaufen, wobei es in erster Linie immer um die Bekanntmachung von Hilfsangeboten geht. Zugleich liegt es in der Natur der Präventionsarbeit, dass man die Ergebnisse nicht so leicht in Zahlen fassen kann …

STOL: Das Präventionsparadoxon?
Koler: Ja, genau: Wir beugen einer Verhaltensweise vor, die unerwünscht ist, sehen dann aber nicht, was wir verhindern konnten. Das ist unser stetiges Dilemma. Paradox ist in dieser Hinsicht aber auch das Verhalten des Staates: Einerseits boomen die Glücksspielangebote und werden vom Staat genehmigt, andererseits braucht es dann Dienste wie den unseren, die sich dann um die Auswüchse und Probleme kümmern müssen.

Beim Online-Gaming wird dieser Impuls durch visuelle und akustische Reize verstärkt. Dazu kommen die einfachen Bezahlmethoden und die permanente Verfügbarkeiten.
Peter Koler, Forum Prävention


STOL: Spielen zählt zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Wann aber gehen die Probleme los?
Koler: Besonders problematisch beim Spiel ist der Anreiz, gewinnen zu wollen. Ähnlich wie bei einem guten Essen oder bei einer sportlichen Aktivität wird durch Dopaminausschüttung das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert, das damit verbundene Gefühl kann süchtig und gierig nach Wiederholung machen. Beim Online-Gaming wird dieser Impuls durch visuelle und akustische Reize verstärkt. Dazu kommen die einfachen Bezahlmethoden und die permanente Verfügbarkeiten, man kann schließlich auf dem Handy spielen.

STOL: Wird gerade deshalb auch für Kinder und Jugendliche das Online-Gaming verstärkt zur Gefahr?
Koler: Kinder und Jugendliche interessieren sich in der Regel für das Gaming, wo also das Spiel, die Geschicklichkeit und durchaus der soziale Aspekt der Hauptantrieb sind. Beim Gambling dagegen sind Faktoren wie Zufall, die Risikobereitschaft und oftmals Einsatz von Geld von Bedeutung. Es ist wichtig, diese Dinge in der Präventionsarbeit zu erläutern.

STOL: Wie hat sich in dieser Hinsicht die Präventionsarbeit weiterentwickelt?
Koler: Wenn wir die Kompetenz in digitaler Mediennutzung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ansehen, so gibt es mehrere Bausteine. Zum einen bieten wir Kurse für Eltern an („Eltern Medienfit“), mit den spezifischen Workshops für Schüler gehen wir nun tatsächlich auch in die Grundschule. Diese Workshops zur digitalen Mediennutzung für Schüler werden am stärksten nachgefragt. Neu ist beispielsweise auch die interaktive Ausstellung zu den digitalen Lebenswelten mit dem Titel „Log In“, die vom Forum Prävention zusammen mit dem Jux Lana sowie Jugenddienst Lana-Tisens entwickelt wurde. Sie war bis 5. Oktober in Lana zu sehen, wander dann nach Algund und schließlich Ulten weiter.

STOL: Das Spiel ist in der Regel eine lustvolle und entspannende Aktivität, wann aber wir es zur Pathologie?
Koler: Vielen Betroffenen, die sich im problematischen Bereich befinden, ist das oftmals nicht bewusst. Deshalb gibt es auf der Webseite der „Aktion Spielsucht“ einen Selbsttest. Problematisch wird es mit zunehmender Häufigkeit und wenn man immer mehr Geld verliert. Von einer ausgeformten Erkrankung sprechen wir, wenn der Betroffene kein Limit mehr kennt und keine Kontrolle mehr über sich hat. Das sind sehr problematische Fälle, oftmals wird da Haus und Hof verspielt. Die langjährigen Bemühungen haben zwar ihre Früchte getragen, aber durch die Online-Komponenten haben sich wieder neue Problemfelder aufgetan.

STOL: Wie meinen Sie das?
Koler: Wir haben sehr viel Energie investiert, um das Aufstellen von Slotmaschinen zu reglementieren, dass bestimmte Entfernungen von Schulen und Sozialdiensten gewahrt werden müssen bzw. das Glücksspiel speziellen Spielhallen vorbehalten ist. Nun wachsen die digitalen Angebote, man läuft der Entwicklung wieder hinterher.

az

Kommentare
Kommentar verfassen
Bitte melden Sie sich an um einen Kommentar zu schreiben
senden