Montag, 19. August 2024

Die schwierige Spurensuche: Was führte zum Doppelmord in Innichen?

11 Stunden lang hat Ewald Kühbacher von Samstagnacht bis Sonntagvormittag alles und jeden, der sich seiner Wohnung nähern wollte, mit Schüssen überzogen. Die Hintergründe sind unklar. Ob es je eine Antwort auf die Frage nach dem Warum geben wird, ist ungewiss. Die Ermittler schilderten am Montag die dramatischen Stunden jener Nacht, in der Kühbacher seinen 90-jährigen Vater Hermann und die 50-jährige Nachbarin Waltraud Jud erschoss.

Die Opfer: die 50-jährige Waltraud Jud und der 90-jährige Hermann Kühbacher.

„Wir haben derzeit keine Anhaltspunkte für das Motiv, aber wir gehen davon aus, dass die Nachbarin ein Kollateralopfer ist“, sagte Staatsanwältin Federica Iovene bei einer Pressekonferenz in Bozen. „Die ersten Carabinieri, denen es gelang, in das Wohnhaus einzudringen, sahen Blutlachen und die Silhouette einer Person.“

Das Haus in der St.-Korbinian-Straße Nr. 6: Die Wohnung der Familie Kühbacher liegt im vierten Stock, Waltraud Jud lebte im dritten. - Foto: © wib


Da sei ein neuerlicher Kugelhagel über die Einsatzkräfte niedergegangen. Sie seien gezwungen gewesen, aus dem Haus zu flüchten. „Anschließend wurden vom Balkon des Hauses aus weitere Schüsse abgegeben“, erläuterten die Ermittler.

Carabinieri-Landeskommandant Raffaele Rivola, Staatsanwältin Federica Iovene und Major Simone Carlini, Kommandant der Innichener Carabinieri-Kompanie bei der Pressekonferenz. - Foto: © DLife



Bis ein eigens angefordertes Sondereinsatzkommando nach Innichen kommen konnte, vergingen einige Stunden. Von 2 Uhr bis zum Morgen wurde es still im Haus. „Für die Einsatzkräfte war zu dem Zeitpunkt aber nicht klar, ob der Täter noch lebt oder gar Geiseln genommen hat“, sagten die verantwortlichen Ermittler.

Sehen Sie im Video: Staatsanwältin Federica Iovene



Erst, als klar war, dass Kühbacher sich allein in der Wohnung verschanzt hatte, konnten die Spezialkräfte diese stürmen. Sie brachen die Tür auf, warfen so genannte Flashbang-Granaten: Diese erzeugen ein blendendes Licht und einen lauten Knall, der den bewaffneten Kühbacher außer Gefecht setzen sollte. „Die Einsatzkräfte haben keinen einzigen Schuss abgegeben“, betonte Staatsanwältin Iovene.

„Keine Verhandlungen mit dem Schützen möglich“

Mit dem Täter sei keine Verhandlung möglich gewesen. Spezialkräfte hätten sowohl telefonisch als auch vom Stiegenhaus aus versucht, mit Ewald Kühbacher zu sprechen. Doch zur Antwort hätten sie nur Schüsse erhalten.




Kühbacher hatte sich in das hinterste Schlafzimmer zurückgezogen. Ohne Ausweg unternahm er dort – wie berichtet – einen Suizidversuch, dessen Folgen er wenige Stunden später erlag.

Der Notarzt, der bereits vor Ort war, hatte es noch geschafft, ihn zu stabilisieren. Er wurde ins Krankenhaus nach Bozen geflogen – doch umsonst. Ob es je Antworten auf die brennenden Fragen nach dem Motiv für die Tat geben wird, ist ungewiss.

Die Tatwaffe: Eine 9-Millimeter-Pistole

Nach der Erstürmung der Wohnung am Sonntagvormittag zeigte sich den Einsatzkräften ein schreckliches Bild: Der pflegebedürftige 90-jährige Hermann Kühbacher wurde tot in seinem Bett in der Wohnung im vierten Stock gefunden – wie es am Montag hieß, sei er von vorn von den Schüssen getroffen worden.

Der Leichnam der 50-jährigen Nachbarin Waltraud Jud hingegen lag im Treppenhaus: zwischen dem dritten und dem zweiten Stockwerk. Da Juds Wohnung im dritten liegt, ist davon auszugehen, dass sie versucht haben dürfte, aus dem Haus zu fliehen. Mehrere Schüsse trafen sie tödlich in den Rücken.

Was zu der schrecklichen Bluttat geführt hat, liegt im Dunkeln

Inzwischen ist klar: Tatwaffe war eine Pistole, Kaliber 9. Die Ermittler fanden auch ein Luftdruckgewehr in der Wohnung. Ein großes Waffenarsenal, von dem noch am Sonntag die Rede war, war dort nicht.

Ewald Kühbacher soll ein introvertierter Mensch gewesen sein. „Es gibt keine polizeilichen Aufzeichnungen über ihn oder Anzeichen dafür, dass er gefährlich war“, sagte Major Simone Carlini, Kommandant der Innichner Carabinieri-Kompanie, bei der Pressekonferenz in der Bozner Staatsanwaltschaft am Montag. Kühbacher hatte in der Vergangenheit als Wachmann gearbeitet. „Die Waffen, die er besaß, waren in legalem Besitz. Er hatte eine Leidenschaft für diese Art von Ausrüstung. Wir wissen derzeit nicht, wie viele Waffen er besaß, denn in der Geschichte gibt es mehrere Käufe und Veräußerungen“, so der Carabinieri-Kommandant.

Die Wohnung ist beschlagnahmt. Die Ermittlungen dauern an.

kn/rc/stol

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