Samstag, 10. August 2024

Ausgeklebt: Deshalb tut die „Letzte Generation“ gut daran, aufzugeben

„In einer Demokratie findet man Mehrheiten, indem man Menschen überzeugt und nicht, indem man sie erpresst.“ Ein Kommentar von Chef vom Dienst Klaus Innerhofer.

Klaus Innerhofer: „Der Kampf wird also weitergehen, gegen die Klimakleber und hoffentlich auch gegen den Klimawandel.“ - Foto: © ÖA / jaidermartina

Diese Ankündigung vor ein paar Tagen war vielen Zeitungen nur eine Randnotiz wert – und doch finde ich sie sehr spannend. Die „Letzte Generation“ beendet ihre Proteste in Österreich. Sie erinnern sich: Dahinter verbergen sich die sogenannten Klimakleber, von manchen Boulevardmedien wenig schmeichelhaft als „Klimaterroristen“ tituliert.

Also Leute, die sich an den Asphalt von viel befahrenen Straßen kleben und so für lange Staus sorgen, in Museen Suppe oder Farbe auf weltberühmte Kunstwerke schütten, historische Gebäude mit dem Inhalt von Sprühdosen verunstalten oder Konzerte und Theaterstücke mit Störaktionen unterbrechen.

Selbst bei jenen Menschen, denen die Klimakrise sehr bewusst und deren Bewältigung ein wichtiges Anliegen ist, schrumpfte die Zustimmung.
Klaus Innerhofer


Alles, um öffentliche Aufmerksamkeit zu generieren „für die gute Sache“, den Kampf gegen den Klimawandel. So zumindest sehen sich die Aktivisten im Selbstbild. Das Fremdbild sieht freilich anders aus: Dort schrumpfte die Klimakrise in der Berichterstattung zur Fußnote; was blieb und medial breitgetreten wurde, war der Ärger über die Protestaktionen. Denn diese betrafen alle gleichermaßen – die Ärztin, die wegen des Staus zu spät zu einem OP-Termin kam, den Paketboten, der in seinem Billigjob nun auch noch Überstunden schieben musste, den Museumswärter, der wegen mangelnder Wachsamkeit abgemahnt wurde.

Selbst bei jenen Menschen, denen die Klimakrise sehr bewusst und deren Bewältigung ein wichtiges Anliegen ist, schrumpfte in der Folge die Zustimmung zu derlei „Akte des zivilen Ungehorsams“.

Mitverantwortlich für die Abkehr vom Protest dürften wohl auch die zahlreichen Verfahren sein, die gegen Mitglieder der Letzten Generation eingeleitet wurden.
Klaus Innerhofer


Denn als solche sehen die Klimaaktivisten ihre Taten und vergleichen sich in einem gerüttelt Maß an Selbstüberschätzung mit historischen Figuren und Ereignissen wie Mahatma Gandhi oder dem Kampf der Suffragetten für das Frauenwahlrecht.

Die Rechtfertigung der „Letzten Generation“ für die Einstellung der Proteste in Österreich war dementsprechend weniger von der Einsicht geprägt, dass solche Aktionen kontraproduktiv sind, um die öffentliche Meinung auf seine Seite zu ziehen. Man sehe ein, „dass Österreich weiter in fossiler Ignoranz bleiben will und damit in Kauf nimmt, für den Tod von Milliarden von Menschen mitverantwortlich zu sein“, heißt es in der Stellungnahme trotzig.

Der Kampf wird also weitergehen, gegen die Klimakleber und hoffentlich auch gegen den Klimawandel.
Klaus Innerhofer


Mitverantwortlich für die Abkehr vom Protest dürften wohl auch die zahlreichen Verfahren sein, die gegen Mitglieder der Letzten Generation eingeleitet wurden. Bei ihren Aktivistenkollegen in Deutschland zeigt man sich derweil unbeeindruckt: Erst neulich legten Klimakleber den Flughafen Frankfurt teilweise lahm und sorgten für die Streichung von 230 Flügen.

Der Kampf wird also weitergehen, gegen die Klimakleber und hoffentlich auch gegen den Klimawandel. Aber dazu müssen erstere einsehen, dass man letzteren niemandem aufoktroyieren kann. In einer Demokratie findet man Mehrheiten, indem man Menschen überzeugt und nicht, indem man sie erpresst.

klaus.innerhofer@athesia.it

Alle Kommentare und Analysen finden Sie hier.

stol

Kommentare
Kommentar verfassen
Bitte melden Sie sich an um einen Kommentar zu schreiben
senden