Samstag, 15. Juni 2024

Europa ist auf dem rechten Weg: Müssen wir uns Sorgen machen?

Europa hat also rechts gewählt, zumindest mehrheitlich und in den großen Ländern. Müssen wir uns deshalb Sorgen machen? Vielleicht, wenngleich rechts nicht gleich rechts ist. Ein Kommentar von „Dolomiten“-Chef-vom-Dienst Klaus Innerhofer.

„Der Erfolg der ,Alternative für Deutschland‘ ist der aller populistischen Parteien: Sie schauen dem Volk aufs Maul, nehmen dessen Ängste und Unzufriedenheit wahr und bieten einfache Lösungen für komplizierte Probleme“, kommentiert Klaus Innerhofer.

In Italien beispielsweise hat sich Giorgia Meloni von der stark europakritischen Oppositionsführerin früherer Tage zur pragmatischen Regierungschefin gewandelt, die dem vormals verhassten Staatengebilde im Zeichen der zwölf Sterne sicher nicht mit der Abrissbirne zu Leibe rücken will. Auch Frankreichs politische Rechtsauslegerin Marine Le Pen schlug letzthin gemäßigtere Töne an – keine Rede mehr vom Frexit. Le Pen hat sich zudem klar von der deutschen AfD und den verharmlosenden Äußerungen ihres mittlerweile ausgeschlossenen Spitzenkandidaten zur SS distanziert.

Stichwort AfD: Deren massive Stimmengewinne sind schon eher besorgniserregend. Zwar bin ich weit davon entfernt, allen AfD-Wählern einen Hang zu Rassismus und Rechtsextremismus zu unterstellen, doch es stört sie anscheinend auch nicht, dass der deutsche Verfassungsschutz die Partei als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ einstuft und beobachtet, den Thüringer AfD-Ableger um Björn Höcke sogar als „gesichert rechtsextrem“.

Der Erfolg der „Alternative für Deutschland“ ist der aller populistischen Parteien: Sie schauen dem Volk aufs Maul, nehmen dessen Ängste und Unzufriedenheit wahr und bieten einfache Lösungen für komplizierte Probleme. Und sie sprechen die Sprache der einfachen Leute und bewegen sich besser als andere dort, wo sie ihre Wählerschaft vermuten, Stichwort TikTok.

Das Erfolgsrezept der Populisten ist gleichzeitig der Versagensnachweis der etablierten Parteien: Da wird verharmlost, schöngeredet, beschwichtigt – noch dazu in einem schwer verständlichen Politikerdeutsch. Die Menschen fühlen sich bevormundet, nicht ernst genommen, wenden sich ab. Beispiel Migration: Natürlich braucht das vergreisende Europa sie wie ein Fisch das Wasser, keine Frage. Aber sie muss geregelt sein und gesteuert werden, so wie dies in allen klassischen Einwanderungsländern längst der Fall ist. Und es dürfen auch die Schattenseiten nicht unter den Teppich gekehrt werden, von der Ausländerkriminalität bis hin zum Entstehen von demokratiefeindlichen Parallelgesellschaften. Diese „Kollateralschäden“ müssen beseitigt werden, um die große Mehrzahl der anständigen Migranten nicht in Misskredit zu bringen und sie vor kollektivem „Ausländer-raus“-Gegröle zu schützen, wie jüngst auf Sylt und in anderen Orten Deutschlands.

Ein frommer Wunsch: Vielleicht trägt ja die Fußball-EM ihr Scherflein zu mehr Völkerverständigung bei. Was wären die großen Fußballnationen ohne ihre Mbappés, Lukakus und Gündogans?

klaus.innerhofer@athesia.it

ki

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